Mittwoch, 19. September 2012

Klipp-Klapp

Beginnen möchte ich zuerst mal mit einer kleinen Entschuldigung an alle Liebhaber von Knochenarbeiten die vielleicht auf weitere präsentierbare Stücke warten. Irgendwie bin ich nämlich mit der Nadelbüchse mal wieder in eine Buntmetallphase eingetreten, daher muss sich die Gürtelgarnitur aus Rindsknochen wohl noch etwas gedulden.

Gründe für die nun hier zu präsentierende Rekonstruktion gab es eigentlich gleich mehrere, der erste ergab sich Samstagnacht in Hartberg, wo wir abgesehen von Andreas Laternderl und dem Lagerfeuer ziemlich im Dunklen saßen. 
Das führte mich gleich nach der Ankunft zu Hause irgendwie zu Grund Nr.2, denn ein Nachblättern in The Medieval Household ließ mich über etwas stolpern, das sofort meinen Bastlerehrgeiz weckte. 
Als Grund Nr. 3 möchte ich nun anführen, daß ich ein grosser Fan des mittelalterlichen Klappbedürfnis bin .. Klapplöffel, Klappwaagen, Klappmesser .. ich mag es einfach wenn der Drang des mittelalterlichen Menschen alles auf kleinstem Raum verstaubar zu machen der Realienkunde einen kleinen Touch MacGyver verleiht.
Und schließlich, als Grund Nr.4, ist der Gegenstand an sich schon etwas skurril und somit genau das Richtig um interessierte Besucher bei Veranstaltungen etwas rätseln zu lassen

Nun aber endlich zur angekündigten Rekonstruktion, wir beginnen ganz dem Grund Nr.4 folgend mit ein wenig Rätselraten:


Was auf dem Bild noch irgendwie aussieht wie ein Teil von "Edward mit den Scherenhänden" oder ein Steampunk-Borgimplantat, entpuppt sich schon kurz darauf in 2 weiteren Bildern als raffiniertes, kleines Mechanikwunder:




Der drehbar gelagerte Dorn (A) hat um seinen Drehpunkt drei Einkerbungen (B) welche eine Feststellung mittels Klappriegel (C) in den auf den obigen Bildern gezeigten drei Positionen Geklappt-Gestreckt-Gewinkelt ermöglichen.

Und der Zweck des Ganzen ? Der wird schnell deutlich wenn man das gute Stück im Einsatz sieht:


Hier also ein transportabler, kleiner Kerzenhalter in seiner eher gewohnten Form. Mit dem Klappriegel wird der Steckdorn in dieser Form fixiert und in eine entsprechende Oberfläche gesteckt.


Sollte jetzt allerdings keine passende waagrechte Oberfläche vorhanden sein, beweist unser kleiner Helfer sein wahres Potenzial. Durch verdehen und anschließendem Arretieren des Steckdorns lässt sich der Kerzenhalter nun Problemlos auch an einer Wand oder einem Stützbalken anbringen. Genial, oder ?

Über den Einsatzbereich eines solchen Ausrüstungsstückes kann man natürlich jetzt nur spekulieren, aber seine Zusammenlegbarkeit und seine geringe Größe (im zusammengeklappten Zustand ist er gerade mal 70mm lang) sprechen schon eher dafür, dass dieser Klappleuchter auf Reisen mitgeführt wurde.
Und wer, wie ich auf der Bachritterburg, schon mal in einem dunklem Turmzimmer in einer Truhe etwas suchen musste und eine dritte Hand vermisste, da er, mit einer Hand den Truhendeckel haltend und mit der anderen die Kerze, etwas ratlos vor der Truhe stand, wird das kleine Helferlein in Zukunft sicher auch in seinem Reisebeutel haben wollen!

In diesem Sinne .. Klipp-Klapp und es werde Licht! 

Dienstag, 18. September 2012

Es war einmal .. Hartberger Zeitreise !

So, nun ist also auch dieses, lang ersehnte Wochenende vorbei. Die "Hartberger Zeitreise" ist also Geschichte. Und, die Hartberger Zeitreise WAR Geschichte ! Und was für eine !

Es hatten sich, gemeinsam mit den ungarischen Gästen von Bethlen Gábor Hajdúi, einige der absoluten Topgruppen der österreichischen, Historiendarstellerszene versammelt um kleine Ausschnitte der tausende Jahre umfassenden Geschichte Hartbergs zum An- und Begreifen darzustellen.
Vom Neolithikum beginnend, zu Kelten und kaiserzeitlichen Römern, einen Bogen über die Gründung Hartbergs in Hochmittelalter schlagend ging es über das Spätmittelalter und den Barock bis hin in die letzten Jahrhunderte der Neuzeit.

Jahrhunderte an gelebter Geschichte vereint .. und da fehlen noch eine ganze Menge der anwesenden Darsteller

Soweit zur allgemeinen Einleitung, jetzt aber zum eigentlichen, persönlichen Erlebnisbericht ... es war toll ! Richtig gut ! Einfach wunderbar ! Eine Veranstaltung, die sowohl auf die anspruchsvollen Besucher als auch die ebenso anspruchsvollen Akteure sehr gut ausgerichtet war und reibungslos funktioniert hat ! Und somit auch eine absolute Seltenheit in unserem Land.

Wir hatten ja das, etwas ungewohnte, Vergnügen auf dieser Veranstaltung das Hochmittelalter zu repräsentieren. In einem großen Lagerteil inklusive Kochbereich, Handwerksecke, Pferdekoppel und Buchmalereipräsentation hatten wir 2 volle Tage zum Werken, Erklären, Kochen und Präsentieren aber auch zum Plaudern und Feiern.

Mein Schatz beim Präsentieren an einem der Schautische

Als Gruppe hatten wir uns in dieser Zusammenstellung das erste Mal zum gemeinsamen Lagern eingefunden, trotzdem gab es eine hervorragende und absolut reibungslose Zusammenarbeit des ganzen Hochmittelalterteams. Sei es beim Aufbau, beim Geschirrspülen oder bei den zahllosen anderen Verrichtungen des mittelalterlichen Alltags, stets war eine helfende Hand und ein kluger Kopf zur Stelle wenn Not am Mann oder der Frau war.

Grund für dieses ungetrübte Lagervergnügen war natürlich auch die Organisation von Seiten des Veranstalters. In unzähligen Details war die Hingabe an stimmungsvolles Ambiente und ein wissensvermittelndes Konzept immer wieder schön zu erkennen.
Die Verantwortung, gesamte Vorarbeit und Finanzierung (!) der gesamten Veranstaltungen lag in den kräftigen Händen eines Einzelnen und das es sich dabei um eine Premiere handelte war eigentlich kaum zu spüren. Meinen tief empfundenen Respekt und meinen Dank daher an Andreas für die Ganze Arbeit und Mühe!

Die "Veranstaltungsleitung" bei einer Kontrollrunde

Bleibt eigentlich nur mehr der Dank an die ganzen Freunde und Darstellerkollegen, an das Kochteam für das gute Essen und an all die unglaublich interessierten und begeisterungsfähigen Besucher der "Hartberger Zeitreise 2012"! Und natürlich die Hoffnung auf ein erneutes Fest der Geschichte im nächsten Jahr !

Donnerstag, 13. September 2012

Neues von der Werkbank

Denjenigen da draußen die meinem Blog folgen wird aufgefallen sein, dass sich jetzt doch schon einige Zeit nichts Neues getan hat.  Tja, abgesehen von gelegentlichen Färbeorgien (nachzulesen hier und hier) bin ich im Moment wohl eher in einer Art Schaffens- und Schreibpause.  Das gerade eine gewisse Ermüdung Einzug gehalten hat, kann der kundige Leser auch daraus entnehmen, dass mir für diesen Artikel mal ausnahmsweise kein komischer Titel eingefallen ist.

Umso  mehr freut es mich, dass mal wieder eine neue Kleinigkeit heute ihre Vollendung gefunden hat. Wobei der Begriff "Kleinigkeit" sich in diesem Fall wirklich nur auf die tatsächliche Größe des Objekts und nicht auf den doch stattlichen Arbeitsaufwand bezieht.

Nadelbüchse aus Messing (Gesamtlänge 74mm)

Während die Kundigen unter den Lesern nun vielleicht auf Details zur Herstellung warten, sei den Unkundigen erstmal verraten worum es sich bei dem Objekt eigentlich handelt. Es ist .. *trommelwirbel* .. eine Nadelbüchse.

Nadelbüchsen waren (und sind in ihrer modernen Form noch immer) für die Aufbewahrung von Näh-, Steck- oder auch Prüfnadeln (letzteres z.B. im Nachlass des Hermann von Goch, publiziert in Mittelalter in Köln). Wie viele kleinere Gebrauchsgegenstände des Mittelalters wurden sie aus einer Vielzahl von Materialien hergestellt. So sind Nadelbüchsen aus Röhrenknochen von Vögeln, aus Holz, aus Buntmetall  oder in der Form von aus Leder geformten Futteralen gefunden worden. Nahezu allen ist gemeinsam, dass sie irgendeine Form von Aufhängung besitzen um sie z.B. am Gürtel zu befestigen.

Nadelbüchse mit geöffneter Kappe und erkennbarer Aufsteckhülse

Die oben gezeigte Nadelbüchse habe ich als eine Art Verschmelzung mehrerer Funde aus dem Fundkomplex der Themsefunde in London rekonstruiert. (publiziert in Dress Accessories).
Sie besteht aus Messingblech, welches zuerst in Röhrenform gebracht und entlang der Längsnaht verlötet wird. Danach wird ein kurzes Teil für die zukünftige Kappe abgesägt und je ein Ende der beiden Röhren zu einer spitzen Kuppel geformt.
Danach habe ich in die Öffnung des Büchsenkörpers noch ein Messinghülse zum Aufstecken der Kappe eingelötet und zuletzt die dünnen Röhren für die Schnur angebracht.

Zuletzt habe ich als Verzierungen auf der Kappe und auch dem Büchsenkörper schmale Messingringe angebracht (vergleiche hierzu Dress Accessories Nr. 1782 sowie den weiteren Fund auf der selben Seite).
Der große Ring auf dem Körper der Nadelbüchse wurde zusätzlich wie bei den Originalen noch mit Kerbverzierungen versehen.


Normalerweise würde hier jetzt noch ein Schlusssatz stehen, der in humoristischer Weise den Artikel zusammenfasst .. mir fällt aber gerade überhaupt keiner ein. Also, bis zum nächsten Mal. Wir lesen uns !