Mittwoch, 10. Oktober 2012

Hilfe ! Meine Frau haspelt ...

... und damit ist jetzt nicht irgendein charmanter, kleiner Sprachfehler gemeint bei dem ein gedehntes I wie TZ ausgesprochen wird sondern der handwerkliche Vorgang der unter dem Begriff "Haspeln" abläuft. Außerdem seit es ansteckend zu sein, rundherum wird rumgehaspelt was der Körper hergibt!


Für bekennende Textillegastheniker wie mich ist die ganze Haspelsache irgendwie mysteriös, nach der Fertigstellung von Sophias neuer Haspel konnte ich nur mit gerunzelter Stirn zusehen wie das Gerät in Betrieb genommen wurde.
Dem Wunsch meiner Frau nach einer Haspel folgte ich nach einiger Recherche ihrerseits natürlich gerne, deshalb bereits gut gerüstet mit ein paar zeitgenössischen Abbildungen sowie einer handvoll, irgendwie nicht zeitgenössischer, Lehrvideos zum Thema Haspeln machte ich mich an die Arbeit. Eine Kreuzhaspel sollte es werden, englisch Niddy-Noddy oder Nicker genannt.

Aufgrund des gotischen Mangels an korrekter Perspektive war das Interpretieren der Abbildungen mal wieder eine gewisse Herausforderung, eines der deutlichsten Bilder zeigte zwar eindeutig eine handliche Haspel, aber so ganz wollte mir deren Funktion nicht einleuchten. Sie deckte sich auch nicht mit dem vorgeführten Einsatz einer Haspel in den Videos.

Quelle: Bodleian Library, Psalter, um 1325

Wie sich später herausstellte hatte der Illustrator allerdings mehr als gute Arbeit abgeliefert, nur eben nicht wie von uns modernen Menschen auf den ersten Blick erwartet.

Gut hundert Jahre später hat sich das Aussehen der Haspel immer noch nicht gravierend geändert, die hier abgebildete schlichte Version wurde auch das angestrebte Ziel der Bastelei.

Quelle:The Morgan Library, Stundenbuch der Katharina von Kleve, um 1440

Die unten abgebildete Kreuzhaspel entstand aus Buchenholzstäben unter Zuhilfenahme eines Schnitzmessers und eines Bohrers. Sie ist schlicht aber funktionell.


Wichtig bei der Konstruktion der beiden um 90° verdrehten Querarme war die Form der Eintiefung welche das zu haspelnde Fadenmaterial aufnimmt. Die Nut muss einerseits das Haspelgut auf der Haspel auf Spannung halten und andererseits ein Abziehen des fertig gehaspelten Strangs ermöglichen.



Schließlich kommen wir zur angekündigten Auflösung des Abbildungsproblems, zurück zum Affen also. Sollte man die haspel nämlich während der Arbeit oder zur Lagerung mit aufgezogenem Faden mal zur Seite legen bietet es sich an die beiden Querholme aus ihrer rechtwinkelig versetzten lage zu verdrehen und parallel anzuordnen. Dadurch wird das Haspelgut einer zusätzlichen Spannung unterzogen, die Haspel nimmt wesentlich weniger Platz ein ... und sie sieht aus wie auf der Abbildung !


Ein Problem welches ich wohl demnächst mit Hilfe der Drechselbank beheben muss, ist dass der Mittelholm für längeres Arbeiten einfach zu dünn ausgefallen ist. Da muss ein etwas handlicheres Stück angefertigt werden. Also dann, ab ans Werk!