Dienstag, 26. August 2014

Noch ein bisserl Nadelsalat? Aber gern!

Meine ersten Nadlerversuche liegen ja schon eine Weile zurück und auch an Gebendenadeln hab ich mich schon mal versucht. Aber die richtige Technik hatte ich nicht.

Jetzt aber, animiert von den Nähnadeln die so hervorragend funktioniert haben und vollgestopft mit den Rechercheergebnissen, bin ich auch neue Gebendenadeln für meine Frau angegangen. Und diesmal .. richtig!
Ich wollte ihr Schmucknadeln für Schleier und Gebende machen und die notwendigen Recherchen (zur verwendeten Literatur siehe bitte meinen letzten Beitrag) ergaben recht bald, dass die mit Schmuckköpfen aus Ziermaterialien wie z.B. Koralle versehenen Nadeln mit winzigen aus Draht gebogenen Ring gesichert waren. Ein schönes Beispiel dafür ist das aus den Themsefunden stammende Objekt 1473 aus Geoff Egans "Dress Accessories, C.1150-C.1450 (Medieval Finds from Excavations in London)":


Donnerstag, 21. August 2014

Endlich geschafft ... Nadelsalat!

Man glaubt ja oft nicht was sich als Handwerkernemesis alles heranschleichen kann. Nach dem Meistern von Dingen wie dem hochgotischen Ärmel mit rückarmigem Nahtverlauf und gedrehter Armkugel, dem Bau von Messerrepliken in historischer Plättchentechnik, zahlreichen Gürtelrekonstruktionen, verziert mit handgemachten belegbaren Punzen und der Konstruktion und Umsetzung eines klappbaren Kerzenleuchters sah ich mich als recht brauchbaren Handwerker an. Noch dazu da ich das meiste ja wirklich mit historischen Techniken und auch historisch belegbaren Werkzeugen erledige.

Aber dann kam sie: Meine Nemesis, die strafende Göttin meiner Hybris, die verdammte Zerstörerin meines Selbstvertrauens ... die ... mittelalterliche ... Nähnadel!

Schon vor einiger Zeit begann ich mit dem Anfertigen von historischen Nähnadeln, damls war es schon ein langes Herumprobieren bis ich die richte Technik für geschlagene Rundöhre heraus hatte und das entsprechende Werkzeug fertigen konnte. Hört sich aber jetzt auch, mit einem durch schlechten Nachtschlaf bedingten leichten Jammern, komplizierter an als es war, denn ein gehärteter Rundstichel zum Schlagen des Öhrs war letztlich doch keine Nuklearphysik.

Dann aber kam mal der lebensverändernde Tag (wie gesagt ich habe heute schlecht geschlafen und mag etwas zur Dramatik neigen) an dem ich die Strümpfe meiner Tochter anpassen musste! Und voller Motivation nahm ich mir ein verzwirntes, pflanzengefärbtes Wollgarn und meine Messingnadeln um den (natürlich ebenfalls aus passender Wolle bestehenden und pflanzengefärbten - ich sollte wirklich früher ins Bett gehen, jetzt geb ich auch noch an) Strumpf zu nähen .. und scheiterte spektakulär beim Einfädeln. Der verdammt Wollfaden wollte und wollte nicht durch das Öhr! Da wurde mir klar, dass ich Nadeln mit Langöhr brauche!

Warum Langöhr?
Nun moderne Nähnadeln haben Langöhre, da sich die Querschnittsfläche eines Fadens nicht ändert ob er nun im Naturzustand (also runder Querschnitt) oder flachgedrückt zum Einfädeln benutzt wird.
Da aber die Nadelbreite am Öhr entscheidend für die Nähcharakteristik einer Nadel ist ist eine Nadel mit rundem Öhr (für Fäden mit natürlich belassenem, rundem Querschnitt und damit dem vollen Durchmesser) entsprechend breiter und somit schwerer durch das Textil zubringen. Außerdem neigen verzwirnte Nähgarne ohnehin dazu aufzudröseln und eine langovale Form anzunehmen.

Mit vor Selbstbewusstsein über meine handwerkliche Begabung strotzender Brust griff ich also erst mal ... zu diversen Fachbüchern.

Doch in meiner sehr umfangreichen Bibliothek fand ich zwar eine Menge Fundbilder von Nähnadeln aus dem 12. - 15- Jahrhundert, aber selbst mein Hr. Krabath mit seinem hervorragenden "Die hoch- und spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der Alpen" im Stich was die Analyse von Herstellungsverfahren von Nähnadeln angeht. (was das Buch aber trotzdem immer noch zu einem unverzichtbaren Wer für jeden Rekonstruktionshandwerker macht. Danke, Hr. Krabath!).

Also blieb mir nur die Analyse der Bildmaterialien und da liefert mal wieder Egans "The Medieval Household: Daily Living c.1150-c.1450" ,auf Seite 269, die besten Fundbilder (auch dieses Buch halte ich für unverzichtbar .. und ich wiederhole mich, ein weiteres Symptom meiner gestörten Nachtruhe. Aber das mit dem unruhigen Schlaf hab ich glaub ich schon erwähnt).

Zuerst wollte ich mich auf meinem steinigen Weg zum Langöhr an einer Technik versuchen die ich letztens mit meinem Freund Thomas besprechen konnte und die sich auf diesem Fundbild zu bestätigen schien: Das Aufspalten der Nadel an einem Ende mit anschließendem Biegen des Öhrs und abschließendem Verlöten. Allerdings fand sich erst mal kein adequater Nadelfund zum Beleg unserer Theorie.
Das sich die Theorie durch die Lektüre von Ottaway/Rogers "Finds from Medieval York: Craft, Industry and Everyday Life" (auch ein unverzichtbares ... aber ja, sollte jetzt mittlerweile klar sein, dass ich hier nur unverzichtbare Bücher als Quelle anführe) dann auch noch bestätigen ließ (Seite 2739) war natürlich jetzt ganz angenehm.

Also ging ich ans Werk und nahm, 1,5mm, 1mm und 0.8mm - Messingdraht (Krabath erwähnt bei seinem Beitrag über Stecknadeln im oben genannten Buch die Verwendung von Messingdraht) aus dem Modellbau zur Hand und begann mit dem experimentieren um die Arbeitschritte und nötigen Werkzeuge zu ermitteln.