Freitag, 17. Juni 2016

Alle Biester in die Käfige!

Moment ... bevor mir jetzt jemand das von mir oft bespendete "Greenpeace" auf den Hals hetzt oder gerade dabei ist das rollende Suizidkommando der "Vier Pfoten" zu bestellen: Mit "Biest" ist mein neues Dolchmesser gemeint!

Dolchmesser, 1.Hälfte 14.Jahrhundert, mit Plättchengriff

Eine aus einer slowakischen Schmiede stammende Klinge nach erhaltenen Exemplaren aus H. Knorrs, "Messer und Dolch" wurde von mir mit einem Griff in Plättchentechnik versehen (orientiert hab ich mich da an H.Schneiders, "Waffen im schweizerischen Landesmuseum - Griffwaffen I" und Knorrs  "Messer und Dolch"). Die Plättchenpakete sind zusammengesetzt aus Messing, leder und Knochen. Der Heftkörper ist Buchsbaum, die Durchsteckangel habe ich am Knauf mit einer Messingplatte vernietet:


Ein echter Leckerbissen für Messerliebhaber wie mich, 33cm Schärfe einer Jalapeno und mit 380g leicht wie ein Knäckebrot voll Magerkäse. Und ich bin sicher den Wiener Messerstechern um 1340 hätte das "Lange Messer" oder "Stichmesser" (siehe hierzu meine Artikel über das Wehrbürgertum) auch ausnehmend gut gefallen. Und weil es bei Messer sehr wohl auf die Länge ankommt: 47cm in der Totalen. Böses Mädchen.

Und weil man so ein scharfes Teil nicht so einfach in die Bruochen stopfen kann (kann es sein, dass man Beitrag heute einen leicht sexuellen Unterton hat?) braucht es natürlich auch eine Scheide (na sag ich doch!):

Ich habe mich für eine einfache Lederscheide entschieden und daher eine direkt am Messer genäht. Eigentlich sogar dreimal, denn die Erste ging kaputt als beim erneuten Einstecken der Ort unten rausfuhr wie ein tollwütiger Dachs aus dem Bau. Ein Ortblech musste her. 
Die Zweite war im Prinzip genau so, da war der Plan einen "Käfig" mit Ortblech zu bauen auch schon weit fortgeschritten und es war spät, Basteltreffen der IG14 war auch und Karl hatte gerade den Griller angeheizt und ein dickes Stück Rindfleisch für mich draufgeschmissen .. kurz und gut, ich hab sie seitenverkehrt genäht und der fertige "Käfig" passte nicht.
Also bin ich noch ein drittes mal in den zweifelhaften Genuss des Scheidennähens gekommen nur um dann festzustellen dass ich den "Käfig" erst wieder zerlegen muss weil mir der Aufbau nicht gefallen hatte.

Jedenfalls hab ich Nummer 3 dann mit Eisenoxid schwarz gefärbt, gefettet und als Basis für den neuen "Käfig" hergenommen. Und spätestens jetzt fragen sich hoffentlich alle, warum redet der dauernd von "Käfig" und was meint er überhaupt ...

Objekt 339 aus H. Schneiders, Waffen im schweizerischen Landesmuseum - Griffwaffen I hat einen faszinierenden Scheidenbeschlag aufzuweisen den ich immer schon mal bauen wollte:

Dolchmesserscheidenbeschlag, Schweiz, 2.Hälfte 13.Jahrhundert

Interessanterweise (und glücklicherweise, sonst wär ich ja nicht in den Genuss gekommen einen zu machen und ihr nicht in den Genuss mein Exemplar zu sehen) findet man diesen Typus auch in den Bildquellen des 14.Jahrhundert noch, hier ein Beispiel aus der so oft zitierten Heidelberger Liederhandschrift:

Dolchscheidenbeschlag, 1.Hälfte 14.Jahrhundert

Da mir nur das grummelige Bild in einer uralten Kopie von Hugo Schneiders Buch vorliegt und ich den armen Kurator aus dem Schweizerischen Landesmuseum nicht ins Archiv scheuchen wollte, war ich bei der Konstruktion auf ein paar Interpretationen angewiesen.


Anstatt das Gitter aus einem Stück Blech zu schneiden (erschien mir ziemliche Blechverschwendung) habe ich den Scheidenbeschlag aus 5 Einzelteilen zusammen gesetzt: Mittelgrat, Ortblech, Mundblech und zwei Querrippen. Diese Einzelteile wurden dann miteinander vernietet:


Nach dem Vernieten habe ich die Beschläge erst ausgeformt, eigentlich war da nur das Ortblech eine, wenn auch sehr kleine, Herausforderung:


Die rund um die Lederscheide laufenden Beschläge habe ich auf der Rückseite der Scheide überlappen lassen und dann verlötet. Löten als Konstruktionsmethode für Ort- und Mundbleche ist z.B. bei einem Fund aus Hameln und einem aus den Niederlanden nachweisbar.


Wie immer bei mir, und zu meiner Verteidigung auch bei den Originalen, ist die klassisch gotische Vorderseite relativ "Hui" und die Rückseite irgendwie, naja, "Pfui". Deshalb hat die Vorderseite auch noch ein Rautenmuster als Lederverzierung bekommen (das sieht man am vorvorletzten Bild ganz gut).

Tja, damit fehlt mir nur mehr den Gürtel fertig zu machen (eh nur das Riemenende) und mein schwarzes (schwarz ist ja wohl klar bei Gothic .. äh .. Gotik) Set aus Gürtel, Tasche und Dolch wäre komplett. Sehr fein!