Donnerstag, 6. April 2017

Bei meinem Barte! Vermutlich

Wie schon im letzten Blogpost beschrieben geht am Samstag unser Belebung los. Und wir haben viel vor. An allen Ecken wird Kosmetik gebraut und wie wild gebastelt. Da ich jetzt nicht so das Händchen für Chemie habe (oder für Holz .. oder für Ton .. seufz) mach ich das was ich am Besten kann: Vorlagen suchen, begeistert sein, in die Werkstatt und gehen und loslegen:

Meine Rekonstruktion eines spätmittelalterlichen Buntmetallkamm aus einer Badestube in Hildesheim, um 1300
(1) My reconstruction of a late medieval brass comb from a public bath in Hildesheim, Germany. (approx. 1300)
 
Our english-speaking guests can find an abstract at the end of the article

Diesmal ging die Quellensuche mit einem eingehenden Studium der mittelalterlichen Badekultur einher, und nach Abläufen und Bauplänen, nach Gedichten, Liedern und Analysen fand ich in Birgit Tuchens "Öffentliche Badehäuser in Deutschland und der Schweiz im Mittelalter und der frühen Neuzeit" ein Schätzchen das mich sofort ansprach:

Der Fund aus Hildesheim
(2) Finding from Hildesheim

Während ich schon wusste, dass der Norden des Reiches eher der Knochenkammliebe verbunden war und im Süden solche aus Holz vorherrschten war mir Buntmetall als Grundstock für einen Kamm völlig neu. Allerdings macht es natürlich Sinn.

Wie schon in meinem Artikel über das Rasiermesser ausführlich beschrieben war man sich der Vergänglichkeit (und der hygienischen Problematik?) von Holz als Werkzeugmaterial im ständig feuchten Umfeld wohl bewusst. Der Fund des Messingkamms ist wohl in genau diesen Kontext einzuordnen. Also musste ich so was haben. Und Basteln wollt ich ohnehin. Nun:

Rekonstruktion eines Messingkamms wie er in Badestuben Verwendung fand
(3) Reconstruction of a brass comb used in the hot and damp enviroment of a public bath

Wie der Maßstab auf Bild 2 zeigt ist das gute Stück recht winzig. Gerade mal 70x50mm ist die Größe des Rohlings den ich aus 1.5mm starkem Messingblech ausgeschnitten habe. Dann wurden die Löcher gestanzt, der Rahmen mit dem Meißel geschlagen und die Form der kurzen Kanten mit der Feile abgerundet.

Danach ging es ans Zähne sägen. Anders als beim Original habe ich mich an der beim Kämmen dieses Zeitraums üblichen Zweiteilung der Zinken in grob und fein gehalten. Während die groben Zinken hervorragend geeignet sind um meinen Bart zu kämmen sind die feinen ideal um mein (extra für die Veranstaltung wachsen gelassenes) spärliches Haupthaar zu frisieren.
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass der Kamm bei der Rasur und Bartpflege zum Einsatz gekommen ist. Das werd ich dann mal lebenden Objekt testen. Armer Karl.

Ein Größenvergleich mit meinen Händen soll nochmal zeigen wie klein das Stück in Wirklichkeit ist:

Größenvergleich des Kamms mit meinen eher zarten Händen
(4) Size comparison of the comb with my rather small hands

Und jetzt geht's dann was Essen,  nach Hause und packen. Hach, ich freu mich schon!


Abstract for our english speaking visitors:

Just in time for our upcoming living-history event I made a reproduction (1) of a brass comb found in the ruins of a public bath in Hildesheim, Germany. It is dated arpund 1300. The comb I made is made of 1.5mm metal sheet measuring 70x50mm (like the original shown above) (2).

As with medieval razors handles wood was not the right material for a hot and damp enviroment like  steam baths. Therefore a more durable material was chosen, in this case brass. The comb I made is slightly different from the original since I wanted finer teeth on one side (like on most medieval combs). (3)