Montag, 19. Juni 2017

Jetzt aber endlich .. Bunte Zelte!

Angefangen haben wir ja schon letztes Jahr mit der ersten Testreihe. Da wurde in Ölkasein, Öltempera, Eiweißtempera und was weiß ich noch alles erst mal ein Probestück bemalt. Dann hab ich das Probestück regelmäßig mit dem Schlauch abgespritzt und trocknen lassen .. und im nassen wie trockenen Zustand auf der Farbe herumgerubbelt.

Schnell zeigten sich die ersten K.O.-Kriterien:

- alles mit Öl in der Basis machte unschöne, fettige Randstreifen auf der Zeltleinwand
- Eitempera begann ohnehin gleich ganz einfach fröhlich zu schimmeln

Der Gewinner, die Kaseinfarbe, war hingegen von der Witterung, dem Wasser und vor allem meinen Abkratzbemühungen hingegen völlig unbeeindruckt. Und trotzdem musste der Kaseinanstrich trotz seines hart erkämpften Sieges noch einen ganzen Winter warten bevor er seinen Triumphzug antreten konnte. Der übrigens so aussah:


Aber kaum war das Wetter einigermaßen erträglich und der "5 Minuten vor der Veranstaltung"-Druck so einigermaßen unerträglich schritten wir zur Tat.

Zuerst musste eine passende Mustervorlage her die dank der schon recht deutlichen Bildquellen des 14.Jahrhundert recht schnell gefunden war:

(1) Bemaltes Kegelzelt, Frankreich 1325-1350 (Royal MS 16 G VI)

Nachdem die Auswahl getroffen war ging es ans Anzeichnen. Da die Kaseinfarbe bei somerlichen temperaturen enorm schnell trocknet entschlossen wir uns das Zelt felderweise und in drei großen Schritten zu bemalen. Dann kann das Zelt nämlich bequem am Boden liegen.

Wir begannen aber zuerst mit dem Anzeichnen der ersten 6 Felder. Hierzu diente ein meiner kleinen Tochter entwendeter schwarzer Bundstift (den man aber ganz nach Ver"A"nlagung auch durch verkohlte Rebenzweige ersetzen kann wie sie in der Schweiz bei Ausgrabungen in einer Schusterwerkstatt gefunden wurden).
Um die Kurven und Kreise gleichmäßig hinzukriegen verwendeten wir Topfdeckel und Becheröffnungen als Vorlagen. Außerdem kam ein Maßband zum Einsatz.

(2) Vorzeichnung der gewünschten Muster direkt auf der Zeltleinwand

Unser Kegelzelt hat 16 dreieckige Felder, wir begannen daher auf dem ausgebreiten Zelt die ersten 6 Felder vorzuzeichnen und mischten dann erst die Farbe an:

Rote Kaseinfarbe

3 Teile Magertopfen
1 Teil Sumpfkalk (1-jährig)
roter Ocker (Farbton Herculaneum Rot)
und Wasser zum Verdünnen nach Bedarf
 

(Für die am nördlichen Alpenhang knapp vor der Ostsee wohnenden Zeltbemaler: Magertopfen ist "fettarmer Quark")

Das Ganze einfach zusammenmischen, mit Wasser auf eine dickliche Farbe verdünnen und es kann schon losgehen mit der Pinselei:

(3) Malen mit Kaseinfarbe

Aus eigener Erfahrung empfehle ich übrigens bei der Malerei keine kurzen Hosen oder knappen Röcke zu tragen, denn das längere Knien auf der Zeltleinwand entspricht einem begeisterten Rutsch auf den Knien zur Kornerfahne im Fußball ... nur auf 120er Sandpapier statt englischem Rasen.

Zu zweit geht das Ganze dann eigentlich recht flott von statten, man sollte sich aber vielleicht für eine ausgiebigere Bemalung einen ganzen Tag Zeit nehmen.


Immer wenn wir eine Segmentgruppe (5-6 Segmente) fertig hatten ließen wir das ganze durch das Trinken von schottischem Whisky antrocknen. Dabei ist darauf zu achten dass  die Schnapsdosierung ein Weiterarbeiten ermöglicht!

Aufgestellt haben wir die ganze neuerarbeitete Pracht dann das erste Mal auf einer Multi-Period-Veranstaltung am Taggerhof bei Graz. Da konnten wir dann auch gleich die Wettertauglichkeit testen denn es hat dort von schwerem Gewitterregen bis 24h-Dauerregen optimale Testbedingungen gegeben. Dabei stellte sich heraus dass die Malerei a) vollkommen wasserfest, b) abriebfest und c) bei nassem Zelt besonders hübsch ist:

(4) Wasserfestigkeitstest am Internationalen Regentestgelände Taggerhof
 
Nach dem Trocken blieb die Farbe weitgehend unverändert allerdings ließ sich nach längerer Trocknungszeit ein Ausfällen des Kalks feststellen. Dadurch wurde der gemalte Bereich mit einer weißlichen Kalkkruste überzogen die, wie sich herausstellte, durch Abbürsten leicht zu entfernen ist. Der Farbe selbst kann auch das Bürsten nichts anhaben.

Auch was die Dichtheit des Zelts angeht konnte keine Beeinträchtigung durch das Bemalen festgestellt werden. Ich hab auf jeden Fall trocken geschlafen. Wir sind zufrieden!