Donnerstag, 25. September 2014

Inverse Primärquelleninterpretation

Heute mal ein schön wissenschaftlicher Titel! Oder? Na, ich denke schon. Für die Hintergründe für so viel Pseudowissenschaftlichkeit muss ich aber noch ein paar Zeilen um Geduld bitten.

Wer meinen Blog liest, weiß das ich an einem neuen Dolchmesser gearbeitet habe, wer nicht kann dieses schmerzliche Informationsdefizit gerne HIER und HIER ausgleichen um nicht schon zu Beginn dieses Artikels in Rückstand zu geraten.

Jedenfalls ist besagtes Dolchmesser zu einer ziemlichen Baustelle geworden: Bauen, Griff gebrochen, Zerlegen, nochmal Bauen, zur Schau stellen, Grübeln, Nachschleifen, erneut zur Schau stellen, Stufe drin, wieder Zerlegen, ein letztes Mal Bauen .. und dann endlich Polieren und Ölen. Uff.


Dienstag, 16. September 2014

Warum so grob?


Warum so grob?  Nein, das ist nicht die erste Reaktion auf mein letztes Facebook-Posting in dem unsaglichen Thread, wo mal wieder jemand in Unterkleid und Höllenfenstersucknei rumsteht und 13. Jahrhundert darstellen will.

Nein, das ist die Reaktion eines guten Freundes auf meinen letzten Dolchmesserartikel hier im Blog!

Warum also so grob? Hmm, ganz unrecht hat er ja nicht, auf den Bildern sieht die Klinge ja aus hätte sie ein auf einem Auge erblindeter Zyklop mit der schwächeren Hand geschmiedet.

Weil man ja 2 Hände hat ...

.. kann man auch 2 Messer tragen, oder? Nein, kann man nicht! 

Zu mindestens geben das die historischen Quellen nicht her. 

Schade eigentlich .. wie gerne wär ich so eine Art hochgotischer Drizzt Do'Urden und würde mit 2 Dolchmessern gewandt tänzelnd auf meine Feinde losgehen .. Hussa!

Na gut, das mit dem gewandt tänzeln ist jetzt vielleicht nicht ganz so meins .. und Feinde hab ich auch recht wenig. Aber ein Messer kann man immer brauchen und weil ich günstig an eine schöne Klinge von Kovex Ars gekommen bin musste .. (Was ich immer alles muss .. ich sollte das entspannter angehen) .. nein, wollte ich mir ein neues Dolchmesser machen um es hinter mein Ledertäschchen zu packen, so ganz der Geck halt.


Montag, 8. September 2014

Ein neues Pferd im Stall!

"Hallo! Ich bin der Nikolaus ... und ich mache gerne Messer!" - "Hallo, Nikolaus"
- Protokoll der Anonymen Messermacher, 8.9.2014


Samstag, 6. September 2014

Das Ende des "Lebendigen Museums" - oder doch besser ein Neuanfang!

Mit dem heutigen Tag geht ein ereignisreiches Belebungsjahr zu Ende. Zu früh und vor der Zeit. Schade? Ja, definitiv!

Mit großem Erfolg und sehr positiver Resonanz unserer zahlreichen Besucher konnten wir seit 1.März an jedem ersten Samstag im Monat unser Hobby in passender Kulisse den Interessierten näher bringen. Und es war ein schönes Jahr! Viele Themen die wir den Interessierten schon immer näher bringen wollten haben wir präsentiert und es bleibt nur zu hoffen, das es unseren Besuchern ebenso gefallen hat wie uns!

Doch jedes Projekt möchte wachsen, sich verbessern und sich an die nötigen Veränderungen anpassen, dem "Lebendigen Museum" ging es da nicht anders. So viel Erfahrung auf dem Gebiet lebendiger Geschichtsdarstellung zu haben wie wir, nährt auch die Erwartungen die man an dieses faszinierende Gebiet der Geschichtspräsentation hat. Und diese Erwartungen zu erfüllen wird immer unser Ziel sein.

Leider stellte sich aber heraus, dass dieses Ziel in einer Kooperation mit der Burg Liechtenstein wohl unerreichbar geblieben wäre. Zu unterschiedlich fielen in letzter Zeit die Intentionen der Burgverwaltung und unserer Gruppe (ig14.at) aus. Während die Burg sich völlig neu orientieren möchte um den Großtourismus anzusprechen, lag unser Schwerpunkt auf einer hochqualitativen, wissenvermittelnden Art des Bildungstourismus. Konzepte die sich, wie unschwer zu erkennen ist, nicht auf einen Nenner bringen lassen. So blieb als kein Platz um zu wachsen und zu gedeihen und letztlich auch nur zwei Alternativen: Zuzusehen wie unser zartes "Lebendiges Museum"-Pflänzchen an einem nicht mehr artgerechten Standort mühsam vor sich hin vegetiert, um letztlich dann doch wie Unkraut entfernt zu werden oder aber mit dem Blumentopf unter dem Arm weiter zu ziehen und sich einen neuen, wohlwollenderen Standort zu suchen und nochmal von vorne zu beginnen. Die Wahl war einfach.

Aber haben wir so einen Platz schon gefunden? Nein, leider nicht.

Werden wir ihn finden? Na, ich hoffe doch, denn das Konzept der "lebendigen Geschichtsdarstellung" ist ein gutes Konzept, und ein international auch sehr erfolgreiches obendrein. England, Frankreich, Deutschland. In all diesen Ländern geht der Weg schon länger weg vom stumpfen Spaßkonsum der Märchen&Abenteuermärkte und weg von der schnöden Führung durch verstaubte Gemäuer die von der Geschichte schon lange verlassen wurden.
Denn immer mehr Menschen erkennen, das Interesse an Geschichte mehr ist als tumbe Bespaßung durch schlecht verkleidete Hanswurste, mehr als das Pilgern durch leblose Bauruinen: Interesse an Geschichte ist ein Interesse an der Gegenwart, ein Interesse an der Zukunft und ein Interesse daran, was wir von denen die lange vor uns lebten lernen können um unsere kommenden Tage erfolgreicher zu gestalten.

Also auf mit uns zu neuen Ufern! Neuland gilt es zu entdecken und durchzuhalten auf dem in Österreich noch sehr steinigen Weg. Es wird ein "Lebendiges Museum" geben, nicht heute oder schon morgen, aber wir werden dran bleiben, für uns und für alle die wirklich ernsthaftes Interesse an einer Epoche zeigen die uns stets als fern, schmutzig und finster verkauft wird und die doch viel näher ist als wir alle glauben würden, dem Mittelalter.

Was bleibt also noch von diesem Jahr? Eine Menge! Wir durften unglaublich nette Leute kennenlernen und haben reichlich Erfahrungen gesammelt. Wir sind wieder ein Stück schlauer und vorsichtiger geworden und haben, so hoffen wir, einigen zeigen dürfen, dass Geschichte auch mehr sein kann als lebloser Stein, kostümierter Kapitalismus oder sinnlos verschwendete Druckerschwärze.

Also, an all jene die Spaß mit uns hatten, die von uns lernen wollten und von denen auch wir eine Menge gelernt haben ... Danke!

Dienstag, 26. August 2014

Noch ein bisserl Nadelsalat? Aber gern!

Meine ersten Nadlerversuche liegen ja schon eine Weile zurück und auch an Gebendenadeln hab ich mich schon mal versucht. Aber die richtige Technik hatte ich nicht.

Jetzt aber, animiert von den Nähnadeln die so hervorragend funktioniert haben und vollgestopft mit den Rechercheergebnissen, bin ich auch neue Gebendenadeln für meine Frau angegangen. Und diesmal .. richtig!
Ich wollte ihr Schmucknadeln für Schleier und Gebende machen und die notwendigen Recherchen (zur verwendeten Literatur siehe bitte meinen letzten Beitrag) ergaben recht bald, dass die mit Schmuckköpfen aus Ziermaterialien wie z.B. Koralle versehenen Nadeln mit winzigen aus Draht gebogenen Ring gesichert waren. Ein schönes Beispiel dafür ist das aus den Themsefunden stammende Objekt 1473 aus Geoff Egans "Dress Accessories, C.1150-C.1450 (Medieval Finds from Excavations in London)":


Donnerstag, 21. August 2014

Endlich geschafft ... Nadelsalat!

Man glaubt ja oft nicht was sich als Handwerkernemesis alles heranschleichen kann. Nach dem Meistern von Dingen wie dem hochgotischen Ärmel mit rückarmigem Nahtverlauf und gedrehter Armkugel, dem Bau von Messerrepliken in historischer Plättchentechnik, zahlreichen Gürtelrekonstruktionen, verziert mit handgemachten belegbaren Punzen und der Konstruktion und Umsetzung eines klappbaren Kerzenleuchters sah ich mich als recht brauchbaren Handwerker an. Noch dazu da ich das meiste ja wirklich mit historischen Techniken und auch historisch belegbaren Werkzeugen erledige.

Aber dann kam sie: Meine Nemesis, die strafende Göttin meiner Hybris, die verdammte Zerstörerin meines Selbstvertrauens ... die ... mittelalterliche ... Nähnadel!

Schon vor einiger Zeit begann ich mit dem Anfertigen von historischen Nähnadeln, damls war es schon ein langes Herumprobieren bis ich die richte Technik für geschlagene Rundöhre heraus hatte und das entsprechende Werkzeug fertigen konnte. Hört sich aber jetzt auch, mit einem durch schlechten Nachtschlaf bedingten leichten Jammern, komplizierter an als es war, denn ein gehärteter Rundstichel zum Schlagen des Öhrs war letztlich doch keine Nuklearphysik.

Dann aber kam mal der lebensverändernde Tag (wie gesagt ich habe heute schlecht geschlafen und mag etwas zur Dramatik neigen) an dem ich die Strümpfe meiner Tochter anpassen musste! Und voller Motivation nahm ich mir ein verzwirntes, pflanzengefärbtes Wollgarn und meine Messingnadeln um den (natürlich ebenfalls aus passender Wolle bestehenden und pflanzengefärbten - ich sollte wirklich früher ins Bett gehen, jetzt geb ich auch noch an) Strumpf zu nähen .. und scheiterte spektakulär beim Einfädeln. Der verdammt Wollfaden wollte und wollte nicht durch das Öhr! Da wurde mir klar, dass ich Nadeln mit Langöhr brauche!

Warum Langöhr?
Nun moderne Nähnadeln haben Langöhre, da sich die Querschnittsfläche eines Fadens nicht ändert ob er nun im Naturzustand (also runder Querschnitt) oder flachgedrückt zum Einfädeln benutzt wird.
Da aber die Nadelbreite am Öhr entscheidend für die Nähcharakteristik einer Nadel ist ist eine Nadel mit rundem Öhr (für Fäden mit natürlich belassenem, rundem Querschnitt und damit dem vollen Durchmesser) entsprechend breiter und somit schwerer durch das Textil zubringen. Außerdem neigen verzwirnte Nähgarne ohnehin dazu aufzudröseln und eine langovale Form anzunehmen.

Mit vor Selbstbewusstsein über meine handwerkliche Begabung strotzender Brust griff ich also erst mal ... zu diversen Fachbüchern.

Doch in meiner sehr umfangreichen Bibliothek fand ich zwar eine Menge Fundbilder von Nähnadeln aus dem 12. - 15- Jahrhundert, aber selbst mein Hr. Krabath mit seinem hervorragenden "Die hoch- und spätmittelalterlichen Buntmetallfunde nördlich der Alpen" im Stich was die Analyse von Herstellungsverfahren von Nähnadeln angeht. (was das Buch aber trotzdem immer noch zu einem unverzichtbaren Wer für jeden Rekonstruktionshandwerker macht. Danke, Hr. Krabath!).

Also blieb mir nur die Analyse der Bildmaterialien und da liefert mal wieder Egans "The Medieval Household: Daily Living c.1150-c.1450" ,auf Seite 269, die besten Fundbilder (auch dieses Buch halte ich für unverzichtbar .. und ich wiederhole mich, ein weiteres Symptom meiner gestörten Nachtruhe. Aber das mit dem unruhigen Schlaf hab ich glaub ich schon erwähnt).

Zuerst wollte ich mich auf meinem steinigen Weg zum Langöhr an einer Technik versuchen die ich letztens mit meinem Freund Thomas besprechen konnte und die sich auf diesem Fundbild zu bestätigen schien: Das Aufspalten der Nadel an einem Ende mit anschließendem Biegen des Öhrs und abschließendem Verlöten. Allerdings fand sich erst mal kein adequater Nadelfund zum Beleg unserer Theorie.
Das sich die Theorie durch die Lektüre von Ottaway/Rogers "Finds from Medieval York: Craft, Industry and Everyday Life" (auch ein unverzichtbares ... aber ja, sollte jetzt mittlerweile klar sein, dass ich hier nur unverzichtbare Bücher als Quelle anführe) dann auch noch bestätigen ließ (Seite 2739) war natürlich jetzt ganz angenehm.

Also ging ich ans Werk und nahm, 1,5mm, 1mm und 0.8mm - Messingdraht (Krabath erwähnt bei seinem Beitrag über Stecknadeln im oben genannten Buch die Verwendung von Messingdraht) aus dem Modellbau zur Hand und begann mit dem experimentieren um die Arbeitschritte und nötigen Werkzeuge zu ermitteln.