Mittwoch, 17. Januar 2018

Wienerwaldläufer

Wusstet ihr dass die Wiener Wehrbürger des 14.Jahrhunderts die einzig legitimen Rechtsnachfolger der Waldläufer von Ithilien waren? Nein? Na dann wird's langsam Zeit!

English descriptions can be found below, in a different colour.


Direkt aus der Stadt, malerisch gelegen an den Ausläufern der Emyn Muil (heute, auf Grund der großen Taten der Wiener lapidar "Wienerwald" genannt) nahmen sie versteckte Guerillavorstöße in die Totensümpfe und an die Hänge des Leithagebirges ... Entschuldigung, Ephel Duath vor!

Und dafür brauchten sie natürlich entsprechenden Ausrüstung! Tarnen und täuschen war um 1340 total angesagt!

Inspiriert von so viel drittzeitalterlichen Heldenmut habe ich dann auch an die Arbeit für meine Schwertscheide gemacht.

Weltliche Chronisten werden diese Arbeit dereinst natürlich unter anderen Gesichtspunkten betrachten und eher darauf tippen dass ich mich nur an irgendwelche blöden Quellen gehalten hab und zufällig grünes Leder rumliegen hatte. Hah! Flieht, ihr Narren!

Kommen wir aber wieder zu meiner Schwertscheide. Wer schwer camoufliert im böhmischen Vorland herumlungern .... Entschuldigung, Heldentaten vollbringen will, braucht neben den üblichen Utensilien eines Bratislavavetranen natürlich auch ein Schwert! Und eine Scheide dazu.

Laut dem berühmten Zwergenschwertforscher Thorin Oakshot kamen mehrere Schwerttypen für mich in Frage. Letztendlich sollte es aber ein Oakshaot Typ XIV werden, denn ich hatte noch ein altes Del Tin herumliegen das seiner Verwendung harrte. Und so habe ich mich an den Umbau gemacht:

Ein Schwert und eine Schwertscheide für das Jahr 1340
Sword and scabbard for the year 1340

Den Knauf habe ich abgenommen und an der Drehbank überarbeitet, da das italienische Original einen gravierten Schriftzug hat, die Del Tin Replik hingegen einen gegossenen. Und das gefiel mir nicht. 
Das Kreuz wurde aus ästhetischen Gründen gekürzt und das komplette Heft neu aufgebaut.

Original von Del Tin (links) und mein Umbau (rechts)
Original replica by Del Tin (left) and my modificated version (right)

I modified an existing replica of an Oakshot XIV I already had at home to suit my needs. The pommel was dismounted, modified and peened on again and I shortened the cross guard and made a new hilt.

Nachdem die Schwertfrage geklärt war ging ich an den Scheidenbau, schließlich will man das gute Stück ja auch mal mitschleppen. Und ein Golfcaddy wirkt dafür doch ein wenig deplatziert.

Für die Form begann ich mal mit einer Bildquellenrecherche und stellte recht rasch fest, dass man scheinbar um 1340 immer noch am klassischen Schwertgut festhielt. Weiß und gebunden. 
Das aber war mir wiederum zu dreizehntisch und so erweiterte ich die Suche auf andere Modelle. Dabei war eine Entwicklung deutlich zu erkennen:

Wo um 1250 (siehe Bild unten, Ekkehard von Meissen, Naumburg, links) noch die im Hochmittelalter klassische Variante verewigt wurde, ist zu erkennen dass auch da bereits eine Zweiteilung des Schwertgurtes vorliegt (Orange/Grün). Dies führt dazu dass man das Schwert wie lange Jahrhunderte zuvor nicht mehr senkrecht, sondern leicht schräg an der Hüfte zu tragen pflegte.
Die Konstruktionsform mit geteiltem Schwertgurt ist dann im 14. eigentlich durchgehend zu sehen bis sie von anderen Varianten abgelöst wird. Ein Beispiel für Gurtteilung (Bild unten, England um 1330, Mitte) hab ich auch hinzugefügt, da der Gurt in dieser Abbildungen tatsächlich grün ist. So wie meiner jetzt. Aber dazu unten mehr. [1]

Auch eine Abbildung aus einer Prager Bibel um 1340 zeigt diese "schräge" Trageweise. Hier ist der Schwertgurt ebenfalls noch gebunden. (rechts). 

"Geteilte" Schwertgurte (Orange/Grün) von 1250 (links) über 1330 (Mitte) bis 1340 (rechts)
"Splitted" sword belts (Orange/Green) from 1250 (right) to 1330 (middle) and 1340 (right)

Concerning the overall construction of the sword belt a short research showed that "splitted" sword belts where the standard at this time.
"Splitted" means that there are two pieces: one from the top of the scabbard the short way to the belly (Orange) and the other one placed below and leading all around the hips (Green)

Schwertgurte mit Schnalle sind allerdings schon seit den späten 1200ern gut nachweisbar (siehe Bild unten, ganz links) und werden im Laufe des 14. Jahrhundert immer präsenter. (siehe Bild, rechts und ganz rechts). Auch auf Epitaphen meiner Zeit recht sind sie oft zu sehen. 
Daher ging ich mit der Zeit (der damaligen jedenfalls) und bin mal ein wenig modern (wobei mir Mode ja so gar nicht liegt). Ein Schwertgurt mit Schnalle also. [2]

Schwertgurte mit Schnallen (v.l.n.r.): [Ms. 0870, Paris, 1295], [Ms.poet.et roman.1, Deutschland, 1334], [Flandern, 1327]
Buckled sword belts (l.2.r.): [Ms. 0870, Paris, 1295], [Ms.poet.et roman.1, Germany, 1334], [Netherlands, 1327]


To fasten the sword belts I had two options: Knotting it (like it is often depicted in the high medieval period up to the middle of the 14th century) or using a buckle. Since I don't wanted to be too "thirteenish" I used the second possibility. [2]
Buckled sword belts are shown in various sources from the late 13th century on: in illustrations (see above) and in effigies as well.

Für den Schwertgurt hatte ich auf ein meine Ledersammlung gesetzt und schon voreilend Schnallenblech und Riemenzunge angefertigt. [3] Der einzige Riemen der sich danach als passend heraustellte war ein schönes Stück vegetabil gegerbtes Rindsleder das ich vor Urzeiten mal in einem Kreuzdornbeeren-Indigo-Anfall grün gefärbt hatte. [1]

Also würde es dann eben ein Grün (obwohl ich ja, wie oben schon erwähnt, generell ein sehr schlichter Typ bin was meine Ausstattung angeht). Und tatsächlich lässt sich das in den Quellen finden .. auch wenn man natürlich (wie immer) ein wenig vorsichtig mit den Farbdarstellungen in mittelalterlichen Handschriften umgehen muss:

Grüne Scheiden und Schwertgürtel aus mittelalterlichen Handschriften, beide Scheiden weisen eine Zunge am Mund auf
Green scabbards and sword belts shown in manuscripts. Both pictures also show a triangular tongue on top of the scabbard

So I made the buckle, buckle plate and the strap-end [3] only to find out later that the only leather strap I had on stock I had dyed in a deep green (using buckthornberries and indigo) a while ago. Gladfully there are sources showing green scabbards and sword belts. (see above)

Ein weiteres Detail, das viele Quellen meiner Zeit zeigen (unter anderem die beiden Jungs auf dem Bild da oben) ist eine dreieckige Zunge am Scheidenmund.
(Wenn einer jetzt gerne nach diesen Begriffen googeln möchte ... hmm, viel Spaß!)

Das wollte ich dann auch haben!

Dafür habe ich das Leder mit dem ich die Holzscheide bezogen habe einfach oben am Scheidenmund überstehen lassen und zum Schluss in dreieckige Form gebracht. Um die sichtbare Fleischseite abzudecken und der "Zunge" Stabilität zu geben (das Bezugleder war recht dünn) habe ich Zunge und Scheidenmund mit dem gleichen Leder gefüttert [4] (so wie es zum Beispiel auch an der erhaltenen Schwertscheide des Fernanda de la Cerdea [um 1270] der Fall ist) und zur Fixierung der beiden Lederstücke einen Randstreifen [5] aufgenäht. Diese Technik ist z.b. bei gotischen Schuhen im Randbereich üblich gewesen und macht auch bei einer Schwertscheide durchaus Sinn, einzelne Quellen stützen meines Erachtens nach diese Theorie auch:

Mögliche Randstreifen am Scheidenmund (v.l.n.r.): [cod.1198, 1340], [Flandern, 1327], [Tschechien, Wandmalerei,1338]
Possible edge decorations on scabbards (l.2.r.): [cod.1198, 1340], [Netherlands, 1327], [Czech Republic, 1338]

An additional detail I wanted to add is the triangular1 "tongue" shown on many scabbards in the 13th and 14th century (shown on the picture above). So I used the leather I covered the scabbard with to create one and lined it with the same leather for stability reasons (and to cover the flesh side of the "tongue"). [4] 
Then I sewed on an edge decoration (as it was done on most of the surviving turnshoes of the period) using an egde-flesh stitch. With this technique there is no seam visible on the outside [5]
Examples in medieval art that (maybe) show some edge decorations are given right above.

Da bei meiner Konstruktion das Bezugsleder nicht (wie bei früheren Beriemungsvarianten üblich) eingeschnitten wurde um Teile der Beriemung durch das Scheidenleder zu führen und zu fixieren, musste ich, um die Beriemung an ihrem Platz zu halten, vor dem Beziehen der Scheide schmale Streifen aus stärkerem Leder auf den Holzkern der Scheide kleben und damit "Rippen" ausformen. Diese sind auch nach dem Beziehen (in meinem Fall mit einem dünnen Ziegenleder) noch deutlich erkennbar. [1]Diese Technik ist zum Beispiel schon bei der Schwertscheide des Hl. Hadrian (erste Hälfte 13. Jhrdt.) oder der des spanischen Granden Fernanda de la Cerdea (zweite Hälfte 13. Jhrdt.) nachweisbar.

(Da sich Schwertscheiden in der Regel nach unten verjüngen wäre eine Beriemung die auf Zug genäht wird eventuell auch ohne "Rippchen" möglich. Das schien mir aber dann schon arg riskant)


To keep the belt straps in position without cutting the leather cover (like it was common in the 13th century) I glued some thick leather straps onto the wooden core of the scabbard before covering the whole piece with thin goat leather. Those "ridges" are still clearly visible after the scabbard was covered. [1] These technique was used on the extant scabbards of Saint hadrian (1st half 13th cent.) or on the on of the spanish noble Fernanda de la Cerdea (2nd half 13th cent.) for example.

Das gerade erwähnte Ziegenleder für den Bezug habe ich übrigens auf der Vorderseite auf den Holzkernkern geleimt und auf der Rückseite dann in nassem Zustand unter Zug vernäht. [6] 
Auch die beiden Teile des Schwertgurts habe ich im nassen Zustand um die Scheide geführt und danch vernäht. Hier wäre auch eine geflochtenen Variante denkbar die auf Nähte verzichtet (manche Quellen deuten auf so etwas hin), allerdings war für die Anwendung dieser Technik der Lederriemen zu dick.

The leather covering itself was glued to the front of the scabbard (to fix it in place) and then sewn together (while wet) on the backside. [6]

The two parts of the future sword belt were als wound around the scabbard while wet and then sewn close. Some sources show another solution with binding instead of sewing, but the leather strap was to thick to use this technique.

Zum Schluss habe ich dann noch ein einfaches Ortband aus Messing auf die Scheide geleimt und danch mit kleinen Messingnägeln festgenagelt. [7]

At the end a simple brass chape was first glued to the scabbard and then fixed with small brass nails. [7]

Und das war's dann auch schon .. oder hab ich was vergessen? Natürlich, habe ich das! Die Bilder meines grünbeigen Kunstwerks dass jetzt in feiner Waldtarnung bei mir an der Wand hängt. (Seltsamerweise will meine Frau nicht dass ich es trage wenn ich ins Büro gehe)

Mit diesen tarnfarbigen Bildern will ich mich dann auch für heute verabschieden, nachdem ich den Bogen zum Beginn des Artikels in so eleganter Weise geschlagen habe ....

[1] Geteilter Schwertgurt in grünem Rindsleder (Doppelfärbung Kreuzdornbeere-Indigo)
"Splitted sword belt made from plant-dyed cowskin

[2] Geteilter Schwertgurt mit Schnalle und Riemenzunge aus Messing
"Splitted sword belt with buckle, buckle plate and strap-end made from brass

[3] Profilierte Schnalle, Schnallenblech und Rimenzunge aus Messing
Buckle, buckle plate and strap-end made from brass


[4] Die Innenseite der ledergefütterten "Zunge" mit der hier sichtbaren Naht für den Randstreifen
The inside of the scabbards "mouth" showing the (here visible) seam for holding the edge decoration in place
 
[5] Der Randstreifen (natürlich in Grün) wurde mit einem Kantenstich festgenäht so dass außen keine Nähte sichtbar sind
The edge decoration was sewn using an egde-flesh stitch. So there is no seam visible on the outside.

[6] Rückseite der Schwertscheide mit der Naht die das Bezugleder zusammenhält
The backside of the scabbard showing the seam clothing the leather covering
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