Donnerstag, 18. Juli 2013

Bimmel, Bammel, Bumm .. hängs dir einfach an den Gürtel!

Der Transport von Dingen am Gürtel ja eine mittelalterliche Tatsache. Aber es ist doch erstaunlich welche Bandbreite an transportierten Gegenständen sich da finden.

Märchenmittelaltermenschen auf ihren bunten Märkten tragen da natürlich ein Trinkhorn oder gleich einen Henkelkrug. Dann natürlich noch, egal ob Männlein oder Weiblein, eine Gürteltasche für Handy, Zigaretten und Feuerzeug und die Autoschlüssel. Und ein modernes Jagdmesser darf auch nicht fehlen, mittelalterlich mit einem unbearbeiten Geweihgriff natürlich! Und dann schiebt man am Besten noch eine Blankwaffe ohne Scheide in den Riemen, man ist ja Kriegerin oder Söldner!

Historisch belegbare Menschen hingegen banden sich andere Sachen an den Leibriemen, wenn auch nicht gerade weniger. Der Kölner Stadtrat und Kaufmann Hermann von Goch zum Beispiel trug ein Messerchen, einen Klapplöffel im Lederetui, einen Prüfstein und Prüfnadeln in kleinen Lederbehältern, seine Siegel und ein Handvoll Beutelchen an seinem Gürtel als man ihn verhaftet hat.
Ein kleine Übersicht kann man sich hier anschauen.


Nun hat meine Frau halt ein Toilettbesteck. So weit, so einfach. Es ist ein Rekonstruktion nach verschiedenen Funden und umfasst drei Geräte in einem. Gewissermaßen ein Schweizer Messer der Schönheitspflege:


Wie man sehen kann sind die drei Gerätschaften an einem Ende mit einer Niete verbunden und das Toilettset umfasst somit Zahnstocher, Ohrlöffel und Pinzette. Praktisch ist das übrigens wirklich, obwohl ich zugeben muss den Ohrlöffel nur einmal probeweise verwendet zu haben. Das Herumstochern mit einem Messinginstrument in meiner Hörmuschel ist doch eher bedenklich. Die Pinzette, ursprünglich wohl zum Zupfen von Augenbrauen oder Ähnlichem gedacht ist auch hilfreich, wenn man seinen meistens bloßfüßig herumtollenden Kindern Holzschiefer aus dem Fuß ziehen muss. Und einen Zahnstocher kann man eigentlich immer brauchen!



Das Stück ist aber nicht der Grund für den Blogeintrag, das gibt's schon einige Zeit lang. Neu aber ist das Behältnis, das ich mir für die Aufbewahrung und gegebenenfalls für den Transport am Gürtel einfallen lassen musste. Ursprünglich hatte ich mal ein kleines rundes Lederbehältnis genäht, aber das Leder war zu dick, die Nähte nicht sehr sauber und so richtig gepasst hat's auch nicht.

Dann, als ich beim Nadelbüchsenmachen war, stieß ich auf eine recht nette Buntmetallbüchse aus London. Fasziniert von dem dargestellten Rekonstruktionsvorschlag in Egan/Pritchards Dress Accesories, wollte ich die unbedingt versuchen. Allerdings wandelte ich die Dimension leicht ab um das gute Stück nicht als Nadelbüchse sondern als Transportbehältnis für das Toilettbesteck nutzen zu können.

Nach kurzer Tüftelei stellte sich der Vorschlag der Autoren als sehr brauchbar heraus und einen Nachmittag später war das Stück fertig:


Anders als das Original ist diese Rekonstruktion quadratisch im Grundriss, so wie der Rekonstruktionsvorschlag es angibt. Die Langösen zur Aufnahme eines Bandes oder Riemens sind sehr schmal rechteckig, was mich dazu brachte ein Lederband mit Knöpfriegeln als Abschluss als Aufhängung vorzusehen. Ein gewebtes Band wäre natürlich ebenfalls möglich.

Zusätzlich habe ich auch noch ein mit Kerbprägungen verziertes Messingelement zur Zierde angebracht.


Nun steht einem standesgemäßen am Gürtel rumgebäumel nichts mehr im Weg und mein Schatz hat eine weitere Kleingkeit die man so, zumindestens auf allen Märkten auf denen ich war, nicht am Wikingergürtel des typischen Spätmärchenalterdarstellers findet.



Donnerstag, 11. Juli 2013

Das Netznadelprojekt II

Also, es hat mich natürlich nicht ganz losgelassen, dass mein durch einsägen entstandene Netznadel optisch so gar nicht in das Bild passen wollte das die Fundzeichnung liefert. Auch das mein Meißel nicht so tat wie ich wollte konnte ich auf Dauer nicht akzeptieren. Wo kommen wir denn dahin, wenn das Werkzeug jetzt schon vorschreibt, wo man bei einer Rekonstruktion Abstriche machen muss!

Konkret geht es mir bei meiner Eigenkritik um folgende, essentielle Stelle der Netznadel:



So sieht mein Erstversuch irgendwie gar nicht aus. Also hab ich den Meißel neu geschliffen und ein anderes nadelmaterial gewählt. Deutlich mehr Kupfergehalt gibt mir auch entsprechende Weichheit und plötzlich war das Spalten nur mehr ein geringes Problem. Na gut, es waren immer noch ein Dutzend Versuche, bis die Nadel genau in der Mitte gespalten war, aber dann gings:


Was man an der oberen Gabel gut sehen kann, ist die charakteristische Ritze die beim Spalten entsteht und genau der originalen Optik entspricht. Ich bin zufrieden!


Dienstag, 9. Juli 2013

Das Netznadelprojekt

Relativ vollmundig habe ich in meinem letzten Artikel (den über die Garnrollen nach Coppergate) kundgetan, dass ich mich als nächstes mit der Anfertigung einer Netznadel beschäftigen werde. Ein neues Projekt also! Wobei mir nach Fertigstellung klar war, dass Projekt vielleicht ein kleiner verbaler Hochgriff war .. Projektchen wäre besser gewesen .. oder Projektleinchen!

Netznadeln verwendete man wie der Name schon sagt zur Herstellung von  Netzen. Na gut, der Name könnte auch sagen, dass es sich um Nadeln handelt die in Netzen transportiert werden! Das ist aber falsch und funktioniert glaub ich auch nicht. Da ich aber jetzt nichts über Haarnetze, Fischernetze, Beutelnetze oder gar WLAN-Netze schreiben will, bleib ich bei der Netznadel an sich.

Als Vorlagen dienten wiedereinmal die Themsefunde aus London, diesmal war das Gewünschte in Textiles&Clothing von Crowfood/Pritchard/Staniland zu finden:


Die obige Fundzeichnung zeigt die kleinere von zwei in London gefundenen Netznadeln und gab somit Aussehen und Dimensionen für die Rekonstruktion vor. 

Zum Einsatz kam in diesem Fall ein etwa 3mm starker Buntmetalldraht. Den habe ich an beiden Seiten mit einem feinen Sägeblatt eingeschnitten. Das erforderte einiges an Geduld und ein paar Versuche, bis der Schnitt über die volle Länge mittig war. Um 1340 hätte man den Draht wohl eher mit einem Meißel gespalten, diesbezügliche Versuche zeigten aber, dass ich dafür wohl nicht den richtigen Meißel zur Verfügung hatte. 

Danach habe ich die entstandenen Zinken heiß gemacht und vorsichtig in  die entsprechende Form gebogen:


Mein Öhr wurde dabei etwas runder als das rhombenförmige Original. Da die beiden Zinken aber recht dünn waren, wollte ich auch nicht mehrmals auf und wieder zu biegen und bliebe daher bei dieser Form. Und schon war ich fertig ... Netznadelprojektleinchen abgeschlossen! Und das wars!


Obwohl ... so ganz war's das noch nicht für heute. Manch einer mag jetzt enttäuscht sein, dass ich mein Weigerung, mehr über das mit Netznadeln hergenetzte Endprodukt zu schreiben, so konsequent durchgezogen habe.

ich möchte daher die Gelegenheit gleich nutzen, um auf meine alte Freundin Christina aufmerksam zu machen, sie hat den Webnamen Sola und ist gerade im Aufbau ihres eigene Blogs zum Thema "Gotische Handarbeiten" ... vor allem Haarnetze haben es ihr angetan. Und so schließt sich der Kreis, respektive das Haarnetz ... und aus!

Montag, 8. Juli 2013

Immer wieder Rollenangebote ....

Wie ich in meinem früheren Artikel über Garnrollen schon angemerkt habe, sind Garnrollenfunde ziemlich dünn gesät. Trotzdem ist es uns gelungen noch eine Hübsche aufzutreiben.

Das Original dem meine neuen Rekonstruktionen folgen stammt aus der englischen Ausgrabung 16-22 Coppergate, eine wunderbare Publikation zu den Funden und vor allem zur Textilproduktion im Allgemeinen (Special thanks to Penelope Walter Rogers) ist hier zu finden.

Auf S. 110 finden sich dort drei, vermutliche, Garnrollen aus Bein, von denen es mir besonders die unter der Nummer 6689 geführte angetan hat:


Mein Rekonstruktion lehnt sich jetzt stark an diese oben gezeigte Form an, allerdings hab ich das Material von Bein auf Buchenholz geändert:


Und weil eine Garnrolle bekanntlich keine Garnrolle ist, hat die Gute auch gleich noch ein paar Zwillingsschwestern bekommen:


Damit sollten Gattin, Töchter, Freundinnen und Kolleginnen erstmal genug zum Wickeln haben .. auf zur nächsten Mission ... Projekt "Netznadel".

Sonntag, 7. Juli 2013

Künstlerseele

Manchmal wundere ich mich ja über mich selbst! Das ich eine leichte Begabung für metallene, knöcherne, lederne oder auch hölzerne Rekonstruktionen habe, würde ich mal behaupten. Aber Musik und Poesie? Naaa, net wirklich! Oder doch? Jedenfalls hab ich ein Lied gedichtet und mir eine Melodie dazu einfallen lassen. Den Text will ich euch mal nicht vorenthalten:

Kannt einst ein Mädelein,
Haare wie Seide fein,
Haut zart wie Elfenbein,
wünschte mir sie wär mein.

Traf sie am Waldesrain,
sollt' meine Liebste sein
Bracht ihr ein Blümelein,
gab's ihr ins Haar hinein

Sie war so schön und rein,
ließ mich ins Herz hinein.
War ganz wie edler Wein,
wollte stets trunken sein.

Wir tauschten Liebelein
aus, unter Kerzenschein
Unter dem Herzelein
bald lag mein Kindlein klein.

Ich nannt kein Silber mein,
Gold nicht, noch Edelstein.
Drum wollt ein Held ich sein,
zog in den Krieg hinein.

Dicht standen uns're Reihen,
doch drang der Feind hinein.
Silber nun mein Gebein
schimmert im Mondenschein.

......


So, das wars ... und wer jetzt schmerzhaft das Gesicht verzieht hat mein Mitleid und mein Verständnis. Jedenfalls fehlt mir noch eine letzte Strophe, an der werde ich wohl noch etwas tüfteln.

Und dann wär' da noch das Problem mit der Melodie, die ist nämlich wirklich schön. Nur kann ich keine Noten lesen und schon gar nicht etwas tonal niederschreiben. Find' ich schade. Aber vielleicht krieg ich es ja hin, dass mein stimmlich begabte Tochter das Ganze für mich einsingt .. dann kann ich euch auch die Melodei zukommen lassen! Tandaradei und Tidelilum .. oder so ähnlich!