Montag, 29. Oktober 2012

Fundstück der Woche VL

Das heutige Fundstück der Woche stammt aus einer französischen Handschrift die um 1330 unter den kundigen Händen des Maître de Watriquet entstand.
Neben einigen wenig spektakulären Illuminationen enthält die Handschrift auch folgendes Bild .. unser Fundstück der Woche:

Quelle: http://www.europeanaregia.eu

Neben einem Reiter in etwas das wie ein Garde-Corps in Mi-Parti aussieht zeigt das Bild die wohl fanatischte Form der Mi-Parti-Verehrung, das Gesichts Mi-Parti.

Bei dieser Form der Körperverzierung wird nicht nur das Kleidungsstück sondern auch der gesamte Körper in 2 gleichmäßige Hälften aufgeteilt und kontrastierend eingefärbt, hier schön an der schwarz-weißen Längsteilung zu erkennen.

Zweifelsohne finden wir hier die einmalige Abbildung eines gotisches Star-Trek-Reenactments vor!
Wahre Trekkies dürften sofort eine mittelalterliche Darstellung der Figuren aus klassischen Episode "Let that be our last battlefield" erkennen ... die Parallelen sind unübersehbar:


Was sagt uns das also über die Verehrung welche eine fiktive Zukunft unserer jüngeren Vergangenheit in der Gegenwart unserer älteren Vergangenheit genoss ? Nix, aber auch gar nix!

In Wahrheit handelt es sich um Illustrationen zu einer Fatrasie, also einem mittelalterlichen Unsinnsgedicht, ein bekannter Vertreter dieser Poesieform war eben der hier verewigte Dichter Watriquet Brassenel de Couvin.

Mir persönlich gefällt aber die erste Erklärung besser ... also "Live long and prosper"!

Freitag, 26. Oktober 2012

Irgendwas klappt immer ...

Der Titel des Eintrags verheißt ja nun eigentlich zuerst einmal eine pessimistische Grundstimmung, welche aber den eindeutigen mageren Aufwärtstrend erahnen lässt. Hat auch seinen Grund. Gleichzeitig ist das wunderbare Wort KLAPP auch wieder im Titel enthalten .. auch das hat seinen Grund.

Zu ersterem ist zu sagen, dass ich jetzt zwar stolz jede Menge pflanzengefärbten Wollstoff mein Eigen nenne, mich aber jegliche Lust auf Nähen mal wieder verlassen hat. Nicht das die Neigung zur meterweise abzuspulenden Handnähten bei mir jemals gesund entwickelt gewesen wäre, aber was im Moment gerade an näherischemWiderwillen in meinem Großhirn herumsitzt ist schon sagenhaft.

Das wiederum bringt mich aber immerhin auch auf anderem Gebiet etwas voran und so setzte ich meine buntmetallische Sturm- und Drangphase mit einer weiteren kleinen Mechanik fort. 


 Erst nach der Fertigstellung wurde mir dann irgendwie bewusst, daß ich das gute Stück für meine Handwerkerdarstellung eigentlich gar nicht recht brauche. Der Bedarf an transportablen Feinwaagen war für den Gürtlermeister des 14. Jahrhunderts vermutlich recht überschaubar. Macht aber nix, muss ich halt an meiner Weinhändlerdarstellung arbeiten, was mich aber wiederum erneut zum Nähen bringt und damit elegant die letzte Hürde im Teufelskreis überspringt. Deshalb wollen wir weiterhin bei der Münzwaage bleiben.

Die Münzwaage ist nach Exemplaren aus dem Londoner Themsefundkomplex, zusammenlegbare Waagen wie diese wurden vermutlich vor allem im Bereich des Fernhandels eingesetzt. Gerade fremde Währungen wurden gerne und oft gewogen um den entsprechenden Wert in lokaler Währung zu ermitteln. Dafür entstand nun auch das abgebildete Münzgewicht, ebenfalls nach einem Fund aus London.

Anders als beim mobilen Kerzenhalter war hier die Mechanik das kleinere Problem, schwieriger war es jenen Zustand zu erreichen der für eine Waage (und damit ist jetzt nicht das Sternzeichen gemeint) so wichtig ist .. Gleichgewicht.


Nachdem ich die einzelnen Bestandteile (die beiden Waagbalken [A], den Zeiger [B], den Haltebügel [C]und die Deckbleche [D]) gefertigt hatte brachte ich die Waage durch Nachbearbeitung eines der Waagbalken ins Gleichgewicht. Zu früh wie sich herausstellte. Denn nach der Fertigung der Waagschalen [E] stellte sich heraus, daß die beiden Schalen auch nicht genau schwer waren, ich musste nochmal an den Balken nachkorrigieren. Damit ist die Waage jetzt zwar im Gleichgewicht, aber nur wenn die Schalen richtig herum eingehängt sind.


Warum ich das Gleichgewicht an den Balken und nicht den Schalen korrigiert habe ? Weil ich blöd bin! Und deshalb muss ich demnächst mal nacharbeiten. Oder aber ich lass es so, verströmt irgendwie so einen grundsätzlichen Charme an mittelalterlichem Handwerk.

Getestet ist sie jedenfalls, sie funktioniert sogar sehr gut und wiegt bei meinen original Wiener Pfennigen auf den Pfennig genau!

Jetzt geht allerdings die Sucherei wieder los, ich will ja noch mehr Klapperatismen bauen ...

Sonntag, 14. Oktober 2012

Aktueller Stand Almosenbeutel in Gobelinstich


Da ja mein Mann nun schon verraten hat, dass ich hasple und ich selbst offengelegt habe, mit der Nadelbinderei zu arbeiten, werden sich wohl viele fragen: War da nicht noch etwas? Ja, da war doch noch was! 

Geplant war die Fertigstellung dieses Beutels ja für Anfang August... Nun ja, wie ja bereits bekannt, konnte ich diesen Termin nicht halten. Einer der Gründe für diese Verzögerung war die Fertigstellung eines Unterkleides für meine Kleine. Da ich es komplett von Hand genäht habe, blieb dann leider nicht mehr viel Zeit für die Stickerei. Mehr dazu folgt demnächst. 

Zumindest konnte ich auf der Bachritterburg ein wenig an meinem Beutel weitermachen.


Und das ist der derzeitige Stand des Beutels.



Der blaue Anteil wächst schön langsam. Mit den weißen Teilen muß ich ein wenig aufpassen. Die gehen nur bei wirklich gutem Licht gut. Wenn ich so weitermache, muß ich wohl sogar noch über die Anschaffung einer Tageslichtlampe nachdenken...

Tja, und seither hat sich an der Stickerei auch leider nichts geändert. Grund dafür sind eben unter anderem die Strümpfe für meine Mädels. Mehr zu diesen Strümpfen gibt es hier nachzulesen. Die Haspelei ist allerdings auch zweckgebunden! Steht doch wieder ein Färbewochenende an. Und dafür möchte ich doch mit dem ein oder anderen Strängchen Seidengarn gerüstet sein, damit mein Stickgarnfundus an pflanzengefärbter Realseide schön langsam Gestalt annehmen kann.

Ursprünglich habe ich mir ja vorgenommen, einen neuen Termin für die Fertigstellung des Beutels zu setzen. Aber so recht traue ich mich da nicht drüber. Aber eines kann ich versprechen: kurz vor Weihnachten gibt es ein Update! Und da sollte sich dann schon wieder einiges getan haben!

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Hilfe ! Meine Frau haspelt ...

... und damit ist jetzt nicht irgendein charmanter, kleiner Sprachfehler gemeint bei dem ein gedehntes I wie TZ ausgesprochen wird sondern der handwerkliche Vorgang der unter dem Begriff "Haspeln" abläuft. Außerdem seit es ansteckend zu sein, rundherum wird rumgehaspelt was der Körper hergibt!


Für bekennende Textillegastheniker wie mich ist die ganze Haspelsache irgendwie mysteriös, nach der Fertigstellung von Sophias neuer Haspel konnte ich nur mit gerunzelter Stirn zusehen wie das Gerät in Betrieb genommen wurde.
Dem Wunsch meiner Frau nach einer Haspel folgte ich nach einiger Recherche ihrerseits natürlich gerne, deshalb bereits gut gerüstet mit ein paar zeitgenössischen Abbildungen sowie einer handvoll, irgendwie nicht zeitgenössischer, Lehrvideos zum Thema Haspeln machte ich mich an die Arbeit. Eine Kreuzhaspel sollte es werden, englisch Niddy-Noddy oder Nicker genannt.

Aufgrund des gotischen Mangels an korrekter Perspektive war das Interpretieren der Abbildungen mal wieder eine gewisse Herausforderung, eines der deutlichsten Bilder zeigte zwar eindeutig eine handliche Haspel, aber so ganz wollte mir deren Funktion nicht einleuchten. Sie deckte sich auch nicht mit dem vorgeführten Einsatz einer Haspel in den Videos.

Quelle: Bodleian Library, Psalter, um 1325

Wie sich später herausstellte hatte der Illustrator allerdings mehr als gute Arbeit abgeliefert, nur eben nicht wie von uns modernen Menschen auf den ersten Blick erwartet.

Gut hundert Jahre später hat sich das Aussehen der Haspel immer noch nicht gravierend geändert, die hier abgebildete schlichte Version wurde auch das angestrebte Ziel der Bastelei.

Quelle:The Morgan Library, Stundenbuch der Katharina von Kleve, um 1440

Die unten abgebildete Kreuzhaspel entstand aus Buchenholzstäben unter Zuhilfenahme eines Schnitzmessers und eines Bohrers. Sie ist schlicht aber funktionell.


Wichtig bei der Konstruktion der beiden um 90° verdrehten Querarme war die Form der Eintiefung welche das zu haspelnde Fadenmaterial aufnimmt. Die Nut muss einerseits das Haspelgut auf der Haspel auf Spannung halten und andererseits ein Abziehen des fertig gehaspelten Strangs ermöglichen.



Schließlich kommen wir zur angekündigten Auflösung des Abbildungsproblems, zurück zum Affen also. Sollte man die haspel nämlich während der Arbeit oder zur Lagerung mit aufgezogenem Faden mal zur Seite legen bietet es sich an die beiden Querholme aus ihrer rechtwinkelig versetzten lage zu verdrehen und parallel anzuordnen. Dadurch wird das Haspelgut einer zusätzlichen Spannung unterzogen, die Haspel nimmt wesentlich weniger Platz ein ... und sie sieht aus wie auf der Abbildung !


Ein Problem welches ich wohl demnächst mit Hilfe der Drechselbank beheben muss, ist dass der Mittelholm für längeres Arbeiten einfach zu dünn ausgefallen ist. Da muss ein etwas handlicheres Stück angefertigt werden. Also dann, ab ans Werk!

Montag, 8. Oktober 2012

Wollstrümpfe für warme Füßchen


Die Erfahrungen der ein oder anderen Veranstaltung haben mich gelehrt, dass gerade die Füße meine sprichwörtliche Achillesferse sind. Die Schuhe passen zwar gut und sind bequem, aber so richtig warm sind die Ledersohlen - vorallem dann auf durchgekühlten Steinböden - nicht wirklich. Nun verfüge ich ja wenigstens über zwei Paar Wollstrümpfe, aber die Mädels haben leider noch nichts wirklich historisches auf diesem Gebiet. Und an meine genähten Strümpfe angelehnte Kinderstrümpfe wollte ich nicht wirklich probieren.

Nun war auf der Bachritterburg Sarah so lieb, und hat mich ihr beim Nadelbinden zusehen lassen. Dann hat sie mir die von ihr angewandte Daumenfesselmethode noch ein wenig erläutert und - siehe da: es klappt endlich! Ich kann es doch tatsächlich auch!

Aber erst einmal zum Material!
 
Mein Mann war ja so lieb, und hat mir - wie hier schon erwähnt - eine Nadel dafür gemacht. Nun habe ich doch schon einiges mit ihr gearbeitet und kann begeistert berichten, dass sie für mich die optimalen Maße hat! 
Und dann braucht man auch noch Wolle! Diese habe ich von Frau Wolle bezogen. Als Zugeständnis an die zarten Füßchen meiner Lieben habe ich mich gegen die historischere Variante der normalen Schafschurwolle entschieden und habe Dochtwolle vom Merinoschaf gewählt. Diese hat einen sehr angenehmen weichen Griff und lässt sich toll verarbeiten.


Ein solcher Strang wiegt ca. 85 Gramm. Sarah hat mich noch gewarnt, dass mir die Dochtwolle wohl doch oft reißen würde, aber bisher ist mir das noch nicht passiert. Lediglich bei den selbst angefilzten Stellen (zum Verlängern des Arbeitsfadens) muß ich sehr aufpassen.

Arbeitsanleitungen für das Nadelbinden oder Naalbinding gibt es im Internet ja unzählige. Ich werde daher diesbezüglich nichts weiter ausführen. Mir ist jedenfalls aufgefallen, dass ich mit den schriftlichen Anleitungen nicht weiterkomme, ohne das ganze einmal in Aktion gesehen zu haben. Scheinbar gibt es auch schon sehr gute Anleitungsvideos zu den einzelnen Stichen.

Nun aber noch zu den Strümpfen:

Ich habe mich für Kniestrümpfe entschieden. Angefangen habe ich mit dem Wadenteil. Beim Knöchel angelangt, hab ich dann über eine halbe Runde Luftmaschen gearbeitet, um die Ferse freizuhalten. Nach wenigen Runden des Fußteils habe ich dann angefangen Maschen abzunehmen, bis ich bei der Zehenspitze angekommen bin. Zuletzt habe ich noch die Ferse eingearbeitet. Hier habe ich seitlich jeweils drei Maschen abgenommen.

Und so sieht dann das Endergebnis aus:


Für mein erstes Machwerk dieser Art finde ich sie durchaus gelungen. Den doch sehr spitzen Zehenteil in Kombination mit der spitzen Ferse finde ich noch nicht sooo gelungen, aber daran kann man ja arbeiten.

Dies sind jetzt die Strümpfe für meine Kleine. Sie passen sicher nächstes Jahr auch noch und sind somit in etwa in Größe 27 geraten. Vom Material her sind 60 Gramm dafür draufgegangen. Doch mehr als ich erwartet hatte.

Die größte Herausforderung an dem Ganzen war jedenfalls die beiden Strümpfe in etwa gleich hinzubekommen. Zwischenzeitlich habe ich schon vermeldet, dass ich wohl lieber Mützen machen würde - da gibts immer nur eine! 

Dienstag, 2. Oktober 2012

Fundstück der Woche XLI

Eigentlich ist ja die Seite von der der Link zum dieswöchigen Fundstück führt schon einen eigenen Fundstückeintrag wert! Was die harten Schweden von Albrechts Bössor da mit ihren Wintereinsätzen leisten ringt mir schon einen gewissen Respekt ab.

Nichtsdestotrotz ist das eigentliche Fundstück der Woche der "Kristina Psalter", eine Pariser Handschrift, entstanden um 1230, mit einer wirklich herrlichen Art einen handschriftlichen Blocksatz zu erzwingen:


Der gesamte Textteil der Psalme ist mit einer unglaublichen Anzahl an graphischen Verfüllungen versehen, deren Formenvielfalt und Einfallsreichtum von einem sehr kreativen Illuminator zeugen. Also einfach mal durchblättern und geniessen!

Hinzu kommt, daß mich eine der Abbildungen, Folio 14 r., etwas ratlos zurück lässt. Was hat der gute Mann da links oben im Bild eigentlich auf der Schulter ? Ist das eine Krücke ? Oder gar eine Art von Gepäckstange wie die römische furca der Legionäre ?

 
Über sachdienliche Hinweise zu dem Teil würde ich mich auf jede Fall sehr freuen, gerade im Gepäcktransportbereich bin ich immer für Innovationen zu haben!

EDIT:
Einige Recherchen später bin ich schon ein wenig schlauer geworden was den seltsamen Stab angeht. Es handelt sich wohl um einen so genannten Tau.Stab (nach dem griechischen Buchstaben), der einerseits immer mal wieder als Symbol kirchlicher Würdenträger, andererseits, und das dürfte hier wohl der Fall sein, auch als Wanderstock in Abbildungen auftaucht. Einfache, natürlich gewachsene, Tau-Stäbe sind sogar als Funde vorhanden

Mittwoch, 19. September 2012

Klipp-Klapp

Beginnen möchte ich zuerst mal mit einer kleinen Entschuldigung an alle Liebhaber von Knochenarbeiten die vielleicht auf weitere präsentierbare Stücke warten. Irgendwie bin ich nämlich mit der Nadelbüchse mal wieder in eine Buntmetallphase eingetreten, daher muss sich die Gürtelgarnitur aus Rindsknochen wohl noch etwas gedulden.

Gründe für die nun hier zu präsentierende Rekonstruktion gab es eigentlich gleich mehrere, der erste ergab sich Samstagnacht in Hartberg, wo wir abgesehen von Andreas Laternderl und dem Lagerfeuer ziemlich im Dunklen saßen. 
Das führte mich gleich nach der Ankunft zu Hause irgendwie zu Grund Nr.2, denn ein Nachblättern in The Medieval Household ließ mich über etwas stolpern, das sofort meinen Bastlerehrgeiz weckte. 
Als Grund Nr. 3 möchte ich nun anführen, daß ich ein grosser Fan des mittelalterlichen Klappbedürfnis bin .. Klapplöffel, Klappwaagen, Klappmesser .. ich mag es einfach wenn der Drang des mittelalterlichen Menschen alles auf kleinstem Raum verstaubar zu machen der Realienkunde einen kleinen Touch MacGyver verleiht.
Und schließlich, als Grund Nr.4, ist der Gegenstand an sich schon etwas skurril und somit genau das Richtig um interessierte Besucher bei Veranstaltungen etwas rätseln zu lassen

Nun aber endlich zur angekündigten Rekonstruktion, wir beginnen ganz dem Grund Nr.4 folgend mit ein wenig Rätselraten:


Was auf dem Bild noch irgendwie aussieht wie ein Teil von "Edward mit den Scherenhänden" oder ein Steampunk-Borgimplantat, entpuppt sich schon kurz darauf in 2 weiteren Bildern als raffiniertes, kleines Mechanikwunder:




Der drehbar gelagerte Dorn (A) hat um seinen Drehpunkt drei Einkerbungen (B) welche eine Feststellung mittels Klappriegel (C) in den auf den obigen Bildern gezeigten drei Positionen Geklappt-Gestreckt-Gewinkelt ermöglichen.

Und der Zweck des Ganzen ? Der wird schnell deutlich wenn man das gute Stück im Einsatz sieht:


Hier also ein transportabler, kleiner Kerzenhalter in seiner eher gewohnten Form. Mit dem Klappriegel wird der Steckdorn in dieser Form fixiert und in eine entsprechende Oberfläche gesteckt.


Sollte jetzt allerdings keine passende waagrechte Oberfläche vorhanden sein, beweist unser kleiner Helfer sein wahres Potenzial. Durch verdehen und anschließendem Arretieren des Steckdorns lässt sich der Kerzenhalter nun Problemlos auch an einer Wand oder einem Stützbalken anbringen. Genial, oder ?

Über den Einsatzbereich eines solchen Ausrüstungsstückes kann man natürlich jetzt nur spekulieren, aber seine Zusammenlegbarkeit und seine geringe Größe (im zusammengeklappten Zustand ist er gerade mal 70mm lang) sprechen schon eher dafür, dass dieser Klappleuchter auf Reisen mitgeführt wurde.
Und wer, wie ich auf der Bachritterburg, schon mal in einem dunklem Turmzimmer in einer Truhe etwas suchen musste und eine dritte Hand vermisste, da er, mit einer Hand den Truhendeckel haltend und mit der anderen die Kerze, etwas ratlos vor der Truhe stand, wird das kleine Helferlein in Zukunft sicher auch in seinem Reisebeutel haben wollen!

In diesem Sinne .. Klipp-Klapp und es werde Licht! 

Dienstag, 18. September 2012

Es war einmal .. Hartberger Zeitreise !

So, nun ist also auch dieses, lang ersehnte Wochenende vorbei. Die "Hartberger Zeitreise" ist also Geschichte. Und, die Hartberger Zeitreise WAR Geschichte ! Und was für eine !

Es hatten sich, gemeinsam mit den ungarischen Gästen von Bethlen Gábor Hajdúi, einige der absoluten Topgruppen der österreichischen, Historiendarstellerszene versammelt um kleine Ausschnitte der tausende Jahre umfassenden Geschichte Hartbergs zum An- und Begreifen darzustellen.
Vom Neolithikum beginnend, zu Kelten und kaiserzeitlichen Römern, einen Bogen über die Gründung Hartbergs in Hochmittelalter schlagend ging es über das Spätmittelalter und den Barock bis hin in die letzten Jahrhunderte der Neuzeit.

Jahrhunderte an gelebter Geschichte vereint .. und da fehlen noch eine ganze Menge der anwesenden Darsteller

Soweit zur allgemeinen Einleitung, jetzt aber zum eigentlichen, persönlichen Erlebnisbericht ... es war toll ! Richtig gut ! Einfach wunderbar ! Eine Veranstaltung, die sowohl auf die anspruchsvollen Besucher als auch die ebenso anspruchsvollen Akteure sehr gut ausgerichtet war und reibungslos funktioniert hat ! Und somit auch eine absolute Seltenheit in unserem Land.

Wir hatten ja das, etwas ungewohnte, Vergnügen auf dieser Veranstaltung das Hochmittelalter zu repräsentieren. In einem großen Lagerteil inklusive Kochbereich, Handwerksecke, Pferdekoppel und Buchmalereipräsentation hatten wir 2 volle Tage zum Werken, Erklären, Kochen und Präsentieren aber auch zum Plaudern und Feiern.

Mein Schatz beim Präsentieren an einem der Schautische

Als Gruppe hatten wir uns in dieser Zusammenstellung das erste Mal zum gemeinsamen Lagern eingefunden, trotzdem gab es eine hervorragende und absolut reibungslose Zusammenarbeit des ganzen Hochmittelalterteams. Sei es beim Aufbau, beim Geschirrspülen oder bei den zahllosen anderen Verrichtungen des mittelalterlichen Alltags, stets war eine helfende Hand und ein kluger Kopf zur Stelle wenn Not am Mann oder der Frau war.

Grund für dieses ungetrübte Lagervergnügen war natürlich auch die Organisation von Seiten des Veranstalters. In unzähligen Details war die Hingabe an stimmungsvolles Ambiente und ein wissensvermittelndes Konzept immer wieder schön zu erkennen.
Die Verantwortung, gesamte Vorarbeit und Finanzierung (!) der gesamten Veranstaltungen lag in den kräftigen Händen eines Einzelnen und das es sich dabei um eine Premiere handelte war eigentlich kaum zu spüren. Meinen tief empfundenen Respekt und meinen Dank daher an Andreas für die Ganze Arbeit und Mühe!

Die "Veranstaltungsleitung" bei einer Kontrollrunde

Bleibt eigentlich nur mehr der Dank an die ganzen Freunde und Darstellerkollegen, an das Kochteam für das gute Essen und an all die unglaublich interessierten und begeisterungsfähigen Besucher der "Hartberger Zeitreise 2012"! Und natürlich die Hoffnung auf ein erneutes Fest der Geschichte im nächsten Jahr !

Donnerstag, 13. September 2012

Neues von der Werkbank

Denjenigen da draußen die meinem Blog folgen wird aufgefallen sein, dass sich jetzt doch schon einige Zeit nichts Neues getan hat.  Tja, abgesehen von gelegentlichen Färbeorgien (nachzulesen hier und hier) bin ich im Moment wohl eher in einer Art Schaffens- und Schreibpause.  Das gerade eine gewisse Ermüdung Einzug gehalten hat, kann der kundige Leser auch daraus entnehmen, dass mir für diesen Artikel mal ausnahmsweise kein komischer Titel eingefallen ist.

Umso  mehr freut es mich, dass mal wieder eine neue Kleinigkeit heute ihre Vollendung gefunden hat. Wobei der Begriff "Kleinigkeit" sich in diesem Fall wirklich nur auf die tatsächliche Größe des Objekts und nicht auf den doch stattlichen Arbeitsaufwand bezieht.

Nadelbüchse aus Messing (Gesamtlänge 74mm)

Während die Kundigen unter den Lesern nun vielleicht auf Details zur Herstellung warten, sei den Unkundigen erstmal verraten worum es sich bei dem Objekt eigentlich handelt. Es ist .. *trommelwirbel* .. eine Nadelbüchse.

Nadelbüchsen waren (und sind in ihrer modernen Form noch immer) für die Aufbewahrung von Näh-, Steck- oder auch Prüfnadeln (letzteres z.B. im Nachlass des Hermann von Goch, publiziert in Mittelalter in Köln). Wie viele kleinere Gebrauchsgegenstände des Mittelalters wurden sie aus einer Vielzahl von Materialien hergestellt. So sind Nadelbüchsen aus Röhrenknochen von Vögeln, aus Holz, aus Buntmetall  oder in der Form von aus Leder geformten Futteralen gefunden worden. Nahezu allen ist gemeinsam, dass sie irgendeine Form von Aufhängung besitzen um sie z.B. am Gürtel zu befestigen.

Nadelbüchse mit geöffneter Kappe und erkennbarer Aufsteckhülse

Die oben gezeigte Nadelbüchse habe ich als eine Art Verschmelzung mehrerer Funde aus dem Fundkomplex der Themsefunde in London rekonstruiert. (publiziert in Dress Accessories).
Sie besteht aus Messingblech, welches zuerst in Röhrenform gebracht und entlang der Längsnaht verlötet wird. Danach wird ein kurzes Teil für die zukünftige Kappe abgesägt und je ein Ende der beiden Röhren zu einer spitzen Kuppel geformt.
Danach habe ich in die Öffnung des Büchsenkörpers noch ein Messinghülse zum Aufstecken der Kappe eingelötet und zuletzt die dünnen Röhren für die Schnur angebracht.

Zuletzt habe ich als Verzierungen auf der Kappe und auch dem Büchsenkörper schmale Messingringe angebracht (vergleiche hierzu Dress Accessories Nr. 1782 sowie den weiteren Fund auf der selben Seite).
Der große Ring auf dem Körper der Nadelbüchse wurde zusätzlich wie bei den Originalen noch mit Kerbverzierungen versehen.


Normalerweise würde hier jetzt noch ein Schlusssatz stehen, der in humoristischer Weise den Artikel zusammenfasst .. mir fällt aber gerade überhaupt keiner ein. Also, bis zum nächsten Mal. Wir lesen uns !

Mittwoch, 29. August 2012

Und wenn einem die Haare zu Berge stehen ?

.. warum stehen sie einem dann eigentlich zu Berge ? 

Nein, es hat nix mit der letzten, brandaktuellen Fotogalerie des Märchen&Abenteuerspektakels (kurz MA-Markt) in Hinterdreischlapfenbaumkirchen zu tun. Auch nicht mit massiven Werbemaßnahmen diverser Sitzritter- und Barbarenstreitaxtschwingergruppen (was für ein Wort!) im Internet. Und auch nicht mit dem Fehlen jeglicher lokaler, schöner Kulisse für unser übermächtiges Bedürfnis unschuldige Touristen mit mittelalterlicher Realienkundezu nerven.

Nein, es hat etwas damit zu tun:


Das sind nämlich meine Töchter .. im Heu der Bachritterburg. Sie haben sichtlich erkennbar Spaß! Und nachdem eben dieser Spaß im Heuschober vorbei war, waren geschätzte 12.8% des Kanzachschen Heuvolumens in den Haarren der beiden verfangen. Mir standen die titelspendenden Haare dann natürlich nicht zu Berge, dazu war ich zu entspannt, den beiden aber schon.

Also ging es los mit Zupfen und Ziepen und mit dem breiten Grinsen in des strengen Vaters Gesicht, wohl wissend, dass er keinen Kamm zur Hand hat.

Doch nun, meine geliebten Lendensprösslinge, meine über alles verehrten Früchte der Leidenschaft, nun ist Papa gerüstet!

Holzkamm aus Buchenholz, angelehnt an die
mittelalterlichen Holzfunde aus Konstanz und Freiburg

Bei dem Ding da, das aussieht als hätte ein volltrunkener Amokläufer mit einer Bügelsäge versucht auf spektakuläre Art und Weise ein unschuldiges Holzbrettchen zu ermorden, handelt es sich nämlich um Papas neuen Kamm. So! Ha!
Und damit das Entsetzen in euren Gesichtern noch größer und das Flehen um Gnade noch erbarmungswürdiger werden möge, noch ein Detailbild der Zinken:

Detail der groben und feinen Zinken

Da ich aber aus leidvoller Erfahrung weiß, dass das Bürsten oder Kämmen eurer edlen Häupter ungefähr gleichzusetzen ist mit einem Ringkampf zweier tollwütiger Waschbären mit einem unschuldigen Passanten UND da mein Haupthaar die Verwendung eines Kamms eigentlich ad absurdum führt, schenke ich ihn eurer Mutter! Also, "Alles Gute" damit, Schatz und viel Spaß bei der Anwendung!

Wem schadet schon ein bisschen Roman(t)ik ...

Nun, das große historische Abenteuer "Hartberger Zeitreise" rückt langsam näher und da ich dort, anders als sonst in meiner Heimatzeit Hochgotik, im romanischen Darstellungsblock des 12. Jahrhunderts aktiv sein werde, ist es notwendig ein paar passende Ausrüstungstücke zusammenzubringen.

Da zum  Beispiel meine hochgotischen Messer alle eindeutig zu aufwändig für die einfache Darstellung eines spätromanischen Waffenknechts sind, musste also etwas einfaches her:

Einfaches Griffangelmesser mit Heft aus Eschenholz

Ebenso wie die einfache Arbeitskleidung die ich für meine hochgotische Darstellung habe, ist auch dieses Stück bewusst so nach den entsprechenden Funden gearbeitet, dass es auch problemlos einen Platz in beiden Zeitperioden finden kann .. 2 Fliegen mit einer Klappe oder besser ... 2 Zeiten mit einem Messer geschnitzt!

EDIT: Aufgrund eines, leider anonymen, Leserwunsches werde ich hier noch etwas detaillierter zu meinen Überlegungen Stellung nehmen. Um ein "zeitloses" Messer zu bauen, war es für mich natürlich wichtig einen möglichst umfangreichen und zeitübergreifenden Fundkomplex zu betrachten. Dafür boten sich mal wieder die in "Knives and Scabbards" publizierten Funde aus London an.
Längsachsensymmetrische Klingen finden wir dort für das 12. Jahrhundert in den Nummern 13 und 14 vor, während Nummer 15 ein wunderbares Beispiel für Plättchentechnik ist. 

In diesem Fall habe ich allerdings nur die erste Griffplatte übernommen um möglichst einfach zu bleiben, als Beispiel hierfür mag nun das in späterer Zeitstellung befindliche Messer Nr. 29 dienen.
Messer Nr.38 und Nr.39 (spätes 13. Jhdt.) schließlich lieferten, wenn man so will, das allgemein Design meines Messers, im speziellen die Vorlage für das rund-ovale Heft.
Mit dem genau in meiner Zeitstellung platzierten Messer Nr. 57 schließt sich dann der Kreis.


Detailansicht der Griffplatte aus Messing

Fehlt nur noch die entsprechende, einfache Lederscheide. Da werde ich allerdings wohl auf 2 Varianten zurückgreifen - eine romanische und eine gotische - da die die Motivvorlagen der beiden Kunstepochen doch zu unterschiedlich sind.