Montag, 2. Juli 2018

Bandnudeln nach Maestro Martino

In diesem Artikel will ich nicht nur ein Rezept präsentieren, ich will auch versuchen den Entstehungs- und Rechercheprozess - von der Idee bis zum Gericht – zu skizzieren und zu dokumentieren.

Zuallererst stand dieses Bild aus dem Tacuinum Sanitatis, auf dem man, neben zwei Damen bei der Nudelproduktion, auch ein Holzgestell zum Nudeltrocknen sieht.

Tacuinum sanitatis, Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), Cod. Ser. n. 2644

An english summary can be found at the end of the article

Dadurch kam die Idee: „wir wollen Nudeln machen, diese auf einem rekonstruierten Gestell trocknen und dann verspeisen“. Als erstes musste ein Trocknungsgestell her: 


Anhand der Körpergrößen der Frauen auf dem Bild und unter der Annahme, dass die abgebildeten Damen der Durchschnittsgrößen von Frauen aus dem 13.-16. Jahrhundert entsprechen (hier eine gute Zusammenfassung von den Sorores Historae) errechnete ich mir die ungefähre Größe des Gestells und baute es.

Doch das ist eine andere Geschichte, jetzt geht es ums Kochen.

Als nächsten Punkt brauchten wir ein Rezept für lange Nudeln, die man auch trocknen kann. Tja, wo bekommt man am leichtesten ein Nudelrezept her? Wie heutzutage auch – aus einem italienischen Kochbuch.


Auf der Suche nach passenden historischen Rezepten wurde ich bei Maestro Martino (geboren ca. 1430), Küchenchef des päpstlichen Kämmerers und prominenter Koch seiner Zeit, fündig.
Sein Buch „Liber de arte coquinaria“ gilt als Meilenstein der historischen italienischen Küche.
Zugegeben ein Werk aus dem 15. Jahrhundert, doch seine Rezepte für verschiedene Nudeln erschienen mir, neben seiner Namenvetterschaft zu mir, äußerst verlockend.

In seinem Kochbuch findet sich, neben anderen Nudelrezepten, ein Rezept für „maccaroni siciliani“.

„Piglia de la farina bellissima, et inpastala con biancho d'ovo et con acqua rosa, overo con acqua communa. Et volendone fare doi piattelli non gli porre più che uno o doi bianchi d'ova, et fa' questa pasta ben dura;[…]“

Übersetzt heißt es, dass man  aus „schönem Mehl“, mit Eiweiß, Rosenwasser und Brunnenwasser einen Teig bereiten soll. Die Zugabe von Eidotter kann den Teig fester machen.

Direkt darunter im Kochbuch ist das Rezept für „vermicelli“, heutzutage eine sehr schmale Bandnudel, angeführt.
Es besagt, dass man einen Teig wie für Maccaroni bereiten, diesen dann schneiden und in der Sonne trocknen lassen soll. Dadurch sollen die Nudeln 3 Jahre haltbar werden.

Jetzt brauchten wir noch eine passende Soße: 

Im Rezept der „vermicelli“ wird erwähnt, dass die Nudeln in Fleisch- oder Hühnerbrühe für eine Stunde (!) gekocht werden sollen. Serviert sollen sie danach mit geriebenem Käse und Gewürzen.
Weiters wird erwähnt „wenn keine Zeit für Fleisch“ (Fastenzeit) ist, dass die Nudeln in Mandelmilch mit Zucker oder Ziegenmilch gekocht werden können. Eine interessante Variante die ich sicher einmal ausprobieren werde. Im letzten Satz ist angeführt, dass die Nudeln, außer man bereitet sie in Milch zu, „gelb von Safran“ sein sollen.

Unsere praktische Umsetzung auf der Bachritterburg sah folgendermaßen aus:


Den Teig bereitete meine Frau Regina zu: Sie mischte Hartweizengrieß und Weizenmehl zu gleichen Teilen. Danach formte sie eine Mulde in den Mehlberg, schlug die Eier dazu und füllte das Wasser hinein. 
  

Anschließend arbeitete sie die Flüssigkeiten langsam in das Mehl ein, bis ein Teig entstand. 

 
Dieser wurde geknetet, bis er „samtig“ wurde, in unserem Fall dauerte das ungefähr 20 Minuten (mehrere Köchinnen haben sich dabei abgewechselt).


Pro zwei Personen verwendete sie 100 Gramm Hartweizenmehl (man kann auch Hartweizengries benutzen), 100 Gramm Mehl, 1 Ei, 50 Milliliter Wasser und einen Schuss Rosenwasser. Auf den Safran verzichteten wir, da ich ihn bei der ersten gröberen Übersetzung des Rezeptes schlicht übersehen hatte.

Der Teig wurde mit einem langen Nudelholz zu gleichmäßigen, dünnen Platten ausgerollt und danach kurz liegengelassen, damit er leicht antrocknet. Anschließend wurden die Teigplatten gefaltet und mit einem Messer in circa 5 Millimeter breite Nudeln geschnitten. 




 Die Nudeln wurden anschließend am Holzgestell zum Trocknen aufgehängt.



Am nächsten Tag waren die Nudeln schön  getrocknet. 

 
Ich kochte die Nudeln in Wasser (wie es bei den „maccaroni siciliani“ erwähnt wird.) An die Empfehlung des Maestro, die Nudeln eine Stunde lange zu kochen hielt ich mich - bei aller Liebe zur Quelle - nicht.
Die fertigen Nudeln vermengte ich mit Butter und stellt geriebenen Hartkäse und gehackte saisonale Kräuter bereit.

 
Dazu gab es eine „gselchte Suppe“, eine Rahmsuppe auf Basis des Kochwassers eines Selchschopfs (gepökelter und geräucherter Schweinenacken). Mancher aß die Suppe und danach die Nudeln, andere vermischten alles miteinander was auch ein sehr schmackhaftes Gericht ergab.
 
Zusätzlich, quasi als kleinen Gruß aus der Küche am Tag der Teigproduktion, bereiten wir aus den Resten des Teiges Teigtaschen, gefüllt mit selbstgemachtem Frischkäse. Wir servierten sie mit Butter und Kräutern.

 
English summary: 

This text is about making noodles inspired by the recipes from the book „Liber de arte coquinaria“ written by chef Maestro Martino in the middle/second half of the 15.century.

For the dough he recommends using „good flour“, egg white, rosewater and well water. To make the dough more rigid, egg yolk can be added. Noodles cut from this dough can be dried and then stored for up to three years.

For the preparation of the noddles Maestro Martino gave the following advices: The noodles should be cooked in meat or chicken broth for one (!) hour and then shall be served with grated cheese and spices. Another possibility is to cook the noodles in almond milk with sugar or in goats milk. It is also mentioned that all noodles should be „yellow from saffron“, except when cooked in milk.

My wife Regina prepared the noodles at our event at the „Bachritterburg“ the following way: For two servings she used 100 Gramms of wheat flour, 100 Gramms of hard wheat flour, 1 egg, 50 Millilitres of water and a pinch of rosewater.
The liquids were worked slowly into the flour and the dough was kneaded until it felt velvety (in our case about 20 Minutes)

With a big rolling pin the dough was rolled out, then folded, and then cut with a knife in about 5 Millimeter broad noodles. The noodles where dried on a wooden rack until the next day.

I cooked the noodles in water the next day (as another recipe for maccaroni siciliani from maestro martino mentions). E
ven though I highly respect the source I did not cook them for one hour. The cooked noodles where mixed with butter and served grated cheese and fresh seasonal herbs.

Additionally I prepared a „Gselchte Suppe“ made of the cooking water from smoked meat with garlic, cream and sour cream.

After we had cut all the noodles on the first day we still had a small amount of dough left. We made small pasta pieces filled with homemade cream-cheese out of it.


Quellen/Sources: