Hmmm? 4 Tage mittelalterliche Burgbelebung? Durch die
überschäumende Begeisterung meines Mannes dazu motiviert, planten wir also
einen Teil unseres Jahresurlaubes für die Belebung der Bachritterburg.
Ich schaute dem ganzen eher skeptisch entgegen. 4 Tage mit
einer 4jährigen und einer 9jährigen auf einer Burg. Schlafen auf Strohsäcken,
den Wetterverhältnissen wahrscheinlich wenig angepasste Kleidung (wer trägt
schon gerne Wolle über Leinen bei 36 Grad), minimale sanitäre Ausstattung und
ein Ausblick auf elende Langeweile (für die Kinder) und die ständigen
skeptischen Fragen „und was machen wir da?“. (Ehrlich gesagt, hatte ich schon
mal sicherheitshalber nach einem „Notquartier“ gegoogelt!) Also erst mal „Spielsachen“
zusammensuchen. Einer Sammlung unserer historischeren Spielzeuge widmen wir mal einen eigenen Eintrag. Ergänzt wurde diese um unlackierte Bausteine, Wolle und
Stoffreste und die Aussicht auf andere Kinder. Für mich selbst gab es ja genug
Arbeit, aber ob ich auch dazu kommen würde?
Und dann der erste Tag. Für die Kinder – zu diesem Zeitpunkt
noch ohne Spielgefährten – war mal die Erkundung der Umgebung angesagt. Durch
die Abgrenzungen ein recht kindersicheres Areal, brauchte ich mir darüber nicht
viele Gedanken zu machen. Also ab zum Küchendienst. Dass ich mich nach den 4
Tagen wie Selchfleisch fühlen würde, war mir ja klar. Zu meiner großen
Überraschung kam auch meine Große helfen, hat Birnen geschnitten und Mandeln
geschält. Die Kleine war auch gut beschäftigt, und unser aller Mühen wurde mit
einem Bad in einem nahegelegenen See belohnt. Die erste Nacht mit den Mädels in
einem kleinen Doppelbett (mit Strohsackmatratze) war wenig entspannend, aber daran
konnte man ja arbeiten.
Die Palatschinken zum Frühstück (Verzeihung – Pfannkuchen natürlich!) ließen das Herz meiner Kleinen höher schlagen und die Große freute sich
schon auf die Neuankömmlinge. Bevor ich mich wieder dem Küchendienst widmete,
konnte ich noch meine Stickerei erneut auf den historischen Rahmen aufziehen
und die unterschiedlichen Tätigkeiten rundherum, sowie viele tolle Gespräche
zum Erfahrungsaustausch und das Bewundern und Analysieren von Hab und Gut der Anderen, ließen die Zeit recht kurz werden.
Bald hatte ich mich an das viertelstündliche Schlagen der
Turmuhr des nahen Kirchturms gewöhnt, und konnte recht gut einschätzen, ob es
nun 11:30 oder schon 13:30 war. Uhr, Handy, Laptop oder gar Fernseher gingen
nicht mal den Kindern ab (Na gut, ab und zu gab es für die Große eine „Nintendo-Pause“
im Auto.). Naja, die 4 Schläge zur vollen Stunde und die 2 Schläge für 2 Uhr nachmittags hatten für mich schon einen eigenen Reiz – das gebe ich zu! Da
öffnete nämlich das kleine Cafe im Burghof und wir durften „Pause“ vom
Mittelalter machen, und uns an Kaffee und köstlichen Kuchen – oder im Falle der
Kinder an einem guten Eis – gütlich tun! (Was jetzt bitte nicht heißen soll, daß
unser Essen nicht gut war! Wir wurden – wie immer bei MiM – ausgezeichnet verköstigt!
Aber Koffein nach einer unruhigen Nacht und dann diese Himbeertorte…)
Ich lernte Nadelbinden (und komme damit auch ganz gut voran;
ein Grund, warum ich meinen Almosenbeutel derzeit ein wenig stiefmütterlich
behandle; aber die Strümpfe für meine Mädels für die Veranstaltung in Hartberg
sind mir gerade wichtiger), konnte endlich die Seidengarne in natura anschauen,
die ich nun bald bestellen würde, sah, daß die Tätigkeit des Netzens nun doch nicht
so kompliziert war, wie das Endergebnis vermuten läßt. Ich lernte einiges über
die Küche im Mittelalter und noch vieles mehr.
Die 4 Tage vergingen wie im Flug. Und mit einem lachenden
und einem weinenden Auge nahmen wir Abschied von der Bachritterburg. Auf der
einen Seite hätte es für mich nicht länger dauern müssen. Zu vieles passt an
meiner persönlichen Ausrüstung noch nicht. Da möchte ich lieber nun über den
Winter daran arbeiten – ich brauche ein dünneres Leinenkleid und ev. noch eine
Chemise – wenn ich sie belegen kann. Außerdem ein dünneres Wollkleid und noch
einiges für meine Handarbeitsuntensilien.
Andererseits waren das 4 wunderbar erholsame Tage. Weit ab
von den alltäglichen Gedanken um Arbeit, Familie und Haushalt. Reduziert auf
das hier und jetzt (und eventuell noch das morgen). Keine
Katastrophennachrichten oder politischen Querelen, wo man sich trotz aller
aufgebrachter Gleichgültigkeit so seine Gedanken macht. Nur schauen, ob es den
Kindern gut geht oder man mal lenkend eingreifen sollte, den Mann – mangels weiterem Färbegut
– davon abhalten, selbst noch in das Indigo-Bad zu steigen, nachfragen, ob man
denn in der Küche helfen kann oder überlegen, wie man die Zeit bis zur nächsten
tollen Mahlzeit am nützlichsten verbringen kann.
Der nächste Aufenthalt auf der Bachritterburg ist jedenfalls
schon „gebucht“. Und diesmal sehe ich dem schon eher freudig und gelassen
entgegen. Zwar stellen sich andere Herausforderungen (alleine der Termin zwingt
uns zu ausgefeilter Planung), aber ich denke, die 4 Tage werden es wert sein!
Eure Sophia