Mittwoch, 15. August 2012

Bachritterburg August 2012

Als Geschichtsdarsteller steht bei den Ferientagen eigentlich auch immer die Entscheidung an: Mittelalterveranstaltung, Bildungsreise oder doch Urlaub mit Freunden? Glücklicherweise ist manchmal auch sprichwörtlich alles möglich, und die Tage auf der Bachritterburg hatten von Alledem jede Menge!


Und das nicht ganz zufällig, die von MiM geplante und durchgeführte Veranstaltung war von vornherein als zwang- aber eben nicht inhaltsloses Treffen von Freunden und Bekannten mit gemeinsamem Spaß an historischer Darstellung ausgelegt. Wie beabsichtigt hatten wir die Bachritterburg, abgesehen von gelegentlichen und fast zufällig wirkenden Besuchern, die ganze Zeit über ganz für uns.
Und ich kann sagen, die Bachritterburg ist ein verdammt schöner Spielplatz für Erwachsene mit historischem Darstellungsbedürfnis! Gut gelegen, mit Mühen und viel Hingabe in nächster Nachbarschaft zum ständig schlagenden Turmuhrwerk errichtet, ist es ein Objekt das uns Hochgotiker wirklich träumen lässt. Und bevor ich jetzt zu den wenigen Wermutstropfen der Anlage komme, sei mir eine Feststellung erlaubt:

So eine großartige Kulisse wie die Bachritterburg gibt es für Geschichtsdarsteller des Mittelalters in Österreich nicht. PUNKT. Nein, besser RUFZEICHEN! Oder gleich zwei!!

Was man in Kanzach da auf die Beine gestellt hat wird für uns hier wohl für immer ein Wunschtraum bleiben, viel zu selbstzufrieden sind wir in unserem ach so "kulturellem" Land längst mit halbherzig begaukelten Burgruinen, mitleiderregenden Renaissanceschloß-Kommerzfesten und unmusealen, zu Tode geblödelten Museumsmärkten.
Aber auch im Paradies gibt es seine Tücken. Natürlich hat auch ein ambitioniertes Bauprojekt seine historischen und leider auch modernen Fehler. So einen fein gepflasterten Burghof hätte sich wohl kein damaliger Lehnsträger für seine kleine Sumpfburg gegönnt und auch manch ein Gebäude scheint einer Nutzung zu unterliegen die für die baulichen Gegebenheiten doch etwas wunderlich erscheint. Aber was soll‘s, dafür sind die Räume historisch passend spartanisch eingerichtet (Hier ein „Nein“ an alle Antikendarsteller, es ist nicht die zeitgemäße Ausstattung eines griechischen Stadtstaates gemeint). Einfache Betten (und davon korrekterweise recht wenig), Tische und Bänke (und eben keine Lehn- oder gar, Herr erbarme dich, Steckstühle) und eine handvoll Truhen, das war‘s. Herrlich! Na gut, ein paar Wandhaken oder das eine oder andere Regal hätte man sich noch gewünscht, aber der Gesamteindruck passt.
Bleiben noch die modernen Fehlgriffe, die sind zwar immer noch weniger als im Durchschnittszelt des typischen Markttemplers aber gerade vor solcher Kulisse umso ärgerlicher. Warum man den Burghof mit Heurigengarnituren bestücken oder eine Speiseeiskarte an ein wahrscheinlich mühsam rekonstruiertes Tor nageln muss ist mir auch nach längerer Überlegung immer noch ein Rätsel.
Aber genug der miesen Miene und auf zur Frage: Was tut man jetzt all die Tage die man kaserniert mit anderen Verrückten auf einer kleinen Holzburg zu verbringen hat ?

Nun, bevor ich dazu komme was man tut erst mal das was man nicht tut, nämlich sich langweilen.
Ständig herrschte angenehm hektische Betriebsamkeit. Meter um Meter Stoff wurden gefärbt nur um gleich danach gegen Gürtel getauscht zu werden. An allen Ecken wurde gewerkt, und das neben detaillierten Erläuterungen für die -zugegeben in nummerischer Unterzahl angetretenen- wissenshungrigen Besucher.


Zum Färben muss ich ja wohl noch extra schreiben, bisher fand ich das Pflanzenfärben ja für die grundsätzliche Kleidungsausstattung ganz nett, aber die Begeisterung vieler konnte ich nicht teilen. Dann kam die Bachritterburg und ein Kessel voll mit gelber Suppe mit blauen Blasen oben drauf. „An sich nicht uninteressant“, dachte ich und als das erste Tuch grünfleckig und voller Schlieren aus dem Kessel kam folgte ein gedankliches „Na toll, so ein Dreck!“. Und dann, na dann kam das Schwupps. Das Schwupps ist für die noch nicht beim Färben mit Indigo Dabeigewesenen schwer erklärbar, aber der gründreckige Stoff wird an der Luft blau, und zwar richtig mächtig blau. Dass man danach mit dem knallblauen Tuch noch in den eiskalten Bach hüpfen kann war eigentlich nur mehr das Schlagobergupferl (Übersetzung: Sahnehäubchen). Und ab jetzt .. ich liebe Blau!


Dann ist da natürlich noch das Fachsimpeln, von gemütlichem Geplauder, über faszinierende Literaturtipps bis hin zu erregten Debatten über Quellenlagen war eigentlich alles dabei. Man fühlt sich als Geschichtsdarsteller ja oft intellektuell vernachlässigt wenn der typische Marktbesucher auf alles was man sagt mit einem lakonischen „Aha“ reagiert und nach dem vierten Schachtelsatz die Ohren zuklappt. Mitstreiter auf der Reise ins 14. Jahrhundert sind da ungemein fruchtbarer, statt „Aha“ kommt da eigentlich meist ein erfreutes „Ja,genau! .. aber ..“.


Und dann noch das Essen, und damit meine ich eigentlich Essen in Großbuchstaben. Ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen behaupte ich mal unser MiM-Küchenteam gehört zum Besten was die Szene gesehen hat. In größter Mittagshitze wurden da Pasteten zubereitet, unter Gefahr des Lungeninfarkts frische Forellen geräuchert oder während typischer Frühaugusttemperaturen herzhaftes Brot gebacken. Wären die Tafeln nicht so massiv gewesen bin ich augenzwinkernd überzeugt sie hätten sich durchgebogen! Das Gewicht der omnipräsenten Fliegen hätte dazu noch beigetragen, aber für die Mistviecher kann eben je nach Gesinnung nur der Himmelvater, die Erdmutter oder Hr.Travnicek aus dem Nachbarhaus etwas.

Was fehlt noch ? Ach ja, schlafen. Na gut, schlafen tut man nicht sehr viel, schließlich kann man die halbe Nacht noch Zeit damit zubringen endlich mal wieder Privates zu plaudern und das Leben unter Freunden bei einem Becher Wein zu genießen.

Ach was bin ich froh (und meine Leser sicher auch), dass ich erst jetzt blogge, wo doch schon wieder ein paar Tage vergangen sind. Noch auf der Rückfahrt nach Österreich war der gedankliche Blogeintrag anhand der vielen Eindrücke nämlich geschätzte 37 mal so lang.


Es bleibt mir also nur ein großes, aus tiefstem Herzen kommendes Dankeschön an das engagierte Bachritterburgteam und natürlich an die Mädels und Jungs, die Freunde und Freundinnen, die Mitstreiter und Weggefährten, also an all jene die diese Tage mit uns geteilt haben!

Ich komme sicher wieder!
Euer Niklas