Dienstag, 12. April 2016

Wie ein Schweizer Käse

Titel? Welcher Titel? Zuerst muss ich über was Anderes reden, nämlich darüber wie ich zu der Zeit gekommen bin die ich jetzt darstelle. Kann sein dass die Waffen- und Blankmetallfraktion jetzt kollektiv verzweifelt aufseufzt, aber da müsst ihr wohl durch, meine Lieben. Zum Trost ein Bild vorab .. sonst hört ihr ja noch mit dem Lesen auf und das wär schade.

Ein Teaser, praktisch der linke Knöchel des kommenden Centerfold


Um meine Zeitwahl für die Geschichtsdarstellung jetzt überzeugend argumentativ darzulegen könnte ich über die sozio-ökonimschen Verhhältnisse um 1340 referieren, dabei die beginnende vertikale Durchlässigkeit der urbanen Ständepyramide erwähnen und die glaubhafte Verinnerlichung eines im städtischen Umfeld lebenden aufstrebenden und vorteilhaft verheirateten Handwerkers mit zwei Töchtern und aktiven Freundekreis ins Feld führen.

Tu ich aber nicht, weil (und das wird die schon erwähnte Waffen- und Blankmetallfraktion) jetzt fruen der eigentlich Grund waren die Messer. Und dabei meine ich jetzt nicht die von mir so gern und mit viel Liebe angefertigten Essmesser (Schleichwerbung-Ende), sondern die wirklich dicken Dinger. Die Brummer. Die die man(n) so gerne, auch protzig im Schritt, vor sich herträgt .. äh, trug.

Nach meinen in der Jungstenizeit begonnenen ersten Gehversuchen (Bildmaterial aus der Zeit ging beim Brand der Bibliothek von Alexandria 48vChr. leider verloren) als baumwollwappenlappentragender "Dietrich von Aggstein, Wolf von Kuenring und Ritter der Eysenfaust" (bitte sich jetzt einen Dudelsacktusch dazu vorstellen!) wollte ich als Mitbegründer "Historia Vivens 1300" ja die Zeit um 1300 darstellen, aber wie das Leben so spielt, daraus wurde nichts. Andere Leute, andere Zeiten und so landete ich in den Armen der IG MiM und im Jahr 1340. Und immer noch begleitete mich eines meiner ersten qualitativ hochwertigen Bücher in diesem Hobby. Eine langsam zerfallende Arbeitskopie der "Waffen im Schweizerischen Landesmuseum , Griffwaffen 1" von Hugo Schneider, welches mir ein alter Freund der schon deutlich tiefer in die Living History eingedrungen war besorgt hatte. Danke, Jörg!

Also gut! Noch ein Teaser. Ist aber heute echt viel zu lesen, gell?

In diesem wundervollen Werk sind jene Dolch und Dolchmesserfunde des späten 13. bis 15.Jahrhundert dokumentiert und abgebildet die in der Ostschweiz gemacht wurden .. und die es mir so angetan hatten dass ich unbedingt in die "Geile-Messer-Zeit" wollte und das 12.Jahrhundert hinter mir ließ.

Unter der Katalognummer LM 13976 findet sich dort mein schon damals erstrebter Nasstraum als "Basilard, 14.Jhdt.". Und genau um den soll es heute gehen:

Basilard (Dolch) des 14.Jahrhunderts mit 2 Hohlkehlen, Griffplatten fehlen

Eine Rekonstruktion des guten Stücks war jetzt lange Jahre nur eine Frage der Zeit. Und jetzt wo sich mein Darstellungsstand endlich auch der gehobenen Kleidung nähert und eine Umsetzung von "Niklas, Wiener Erbbürger" oder gar dem erhofften "Niklas, der Letzte der Haimonen" nicht mehr aussichtslos scheint war ich bereit ans Werk zu gehen:

Basilardrekonstruktion mit gegenüber dem Original vergrößerter Klingenlänge

Alle jene die nach der von mir initiierten Abstimmung auf Facebook für "Buchsbaum" als Heftmaterial gestimmt haben, muss ich jetzt leider auf die nahe Zukunft verweisen. Da wirds dann buchsbaumisch, versprochen!

Ich habe mich für diese Rekonstruktion jedenfalls letztlich für Knochen als Griffplattenmaterial entschieden, da ich mit einer bittersüßen Wehmut ein altes, knochengriffiges Dolchmesser aus meinen frühen Jahren immer noch mit mir herumschleppte das nun durch das neue Stück ersetzt werden soll.

Heft aus Knochenplatten mit der für das Original charakteristischen Knaufform

Der natürlichen, schmalen Form des verwendeten Rindsknochens ist es geschuldet, dass ich zwar den eigentlich Griffteil und den Knauf in einem Stück fertigen konnte aber für die rudimentäre Parierstange extra Knochenplatten ansetzen musste. Da die Nieten beim Original sang und klanglos vergangen waren und mir der Kontrast gefiel wurden Messingvollnieten zur Montag der Griffplatten eingesetzt.

Die Klinge selbst wurde von einem slowakischen Schmied gefertigt, dabei sind durch die Sprachbarriere die Hohlkehlen etwas spärlicher ausgefallen als beim Original. In Vergleichsfunden sind schmalere Hohlkehlen aber durch aus zu beobachten.

Knochenheft mit Buntmetallnieten und Hohlkehlenansatz

Was jetzt aber die Länge der Klinge angeht (siehe die Erwähnung in der Bildunterschrift weiter oben. Wie? Nicht gelesen?) bin ich der Meinung dass es (gerüchteweise) anders als beim primären maskulinen Geschlechtsmerkmal bei Messern sehr wohl auf die Länge ankommt. Schließlich sind zusätzliche 20cm Vorsprung beim Davonlaufen auch für Wiener Bürger nicht zu unterschätzen.

Außerdem zeigen historische Quellen bei Basilarden um die Mitte des 14.Jahrhunderts teilweise erstaunliche Klingenlängen, wie unter anderem auf den folgenden Abbildungen ersichtlich:

Epitaph im Kloster Marienthal, Heinrich IV von Waldeck, 1348

Niccolò di Segna, Italien, 1340er

Manessische Liederhandschrift, um 1330-1340

Und so ist auch die Klingenlänge meiner Rekonstruktion in der Planungsphase mehrmals angewachsen bis sie sich auf den heute erkennbaren endstand eingependelt hat. Denn schließlich will man(n) ja etwas spüren wenn er so was an der Hüfte hat. John Wayne hatte ja schließlich auch keinen .22er Derringer im Holster sondern solide .45 Zoll!


So, und das wars dann auch schon für heute! Keine sentimentalen Ausflüge mehr in die persönliche Darstellervergangenheit, keine Fachbegriffe, keine Fotos, keine Quellen. Nur die Aussicht auf einen aufwändigen Scheidenbau in den nächsten Wochen und das im Kopf einzupflanzende, kleine Bild eines zufrieden und breit grinsend mit dem Dolch im Schoß auf der Bank im Garten sitzenden Nikolaus.

Ach ja, der Titel .. den hätt ich jetzt vergessen: Schweizer Fund. Löcher für die Griffnieten. Alles klar?

Abstract for our english-speaking vistors:
Reconstruction of a 14th century basilard dagger found in switzerland. The material used for the handle is cattle bone and brass rivets. As on the original piece it has two groves on the blade.