Samstag, 30. April 2016

Endlich richtig spießbürgerlich!

Ich war ja mal ein echter Kämpfer! Schaukampf und Flachstahl, Funken sprühen und wilder Waffenrock und so. Vor gefühlten 60 Jahren jedenfalls.

Dann verlagerte sich meine Darstellung mehr und mehr ins zivile, gibt da ja genug Baustellen die man so zu betonieren hat. Metall kam mir also nur mehr in Form von Bronzegrapen, Klappwagen, Gürtelbeschlägen und schließlich Messerklingen unter. Und dann? Ja dann wurden die Messer größer, die Belege drängender und der "Bürger Niklas" kam zu dem Schluss: Wenn schon dann richtig!

Jedenfalls arbeite ich jetzt schon des längeren am Aufbau der bürgerlichen Wehrhaftigkeit, so wie sie den Wiener Bürgern im 14.Jahrhundert auch vorgeschrieben war. Zu Details des Wiener Wehrbürgertums und seiner ungerühmten Heldentaten plane ich aber einen eigenen Artikel. Darum soll es heute nicht gehen. Heute soll es etwas handfester sein:

Ein Halm unter Halmen

Der Spieß wird in den Stadtverordnungen als eines der Dinge genannt die ein Wiener Bürger zu besitzen hat, also hab ich mit der Suche nach einem passenden Spieß begonnen.  Einfache speerartige Objekte findet man relativ häufig, aber erstens war mir das zu einfach und zweitens ist das bei später noch durchführenden Überlegungen zur Länge des Halms (oder Schafts) ein gewisses Problem, denn in vielen Abbildungen ist es schwer Lanzen und Speere klar zu unterscheiden.

Daher kam mir einen Abbildung aus einem Klosterneuburger Evangelienwerk um 1340 gerade recht, denn so wohl zeitlich als auch geographisch konnte es kaum passender zu meiner Darstellung sein:

Schaffhausen, Stadtbibl., Cod. Gen. 8

Der abgebildete Waffenträger zeigt eindeutig eine für den Fußkampf bestimmte Stangenwaffe einer mir bis zur Durchsicht der Handschrift völlig unbekannten Art. Nähere Recherchen zu den verschiedenen Arten von Infanterielangwaffen ergaben ein erstaunliches Ergebnis:

Es könnte sich bei dem abgebildeten Objekt um eine sehr frühe Form des Spetum (auch Runke oder Runka genannt handeln), einer Stangenwaffe deren Hauptzeit erst im 15.Jahrhundert beginnt.
Charakteristisch für das Spetum ist eine lange Stoßklinge mit einem seitlich angesetzten Klingenpaar.

Aus diesen Überlegungen heraus entstand dann unter den fähigen Händen meines Messerschmiedes (der auch dieses gute Stück gemacht hat) meine Interpretation einer frühen, also hochgotischen Runka:


Dabei versuchte ich eine Synthese zwischen erhaltenen Exemplaren des 15.Jahrhunderts und den Dimensionen der Abbildung zu erreichen. Gerade der bis zur Tülle verlaufende Mittelgrat scheint typisch für diesen Waffentyp zu sein. Die seitlichen Klingenansätze habe ich dann weniger ausladend als bei späteren Exemplaren dimensioniert um in der Nähe der Klosterneuburger Abbildung zu bleiben.

Was es noch zu ermitteln galt war die optimale Schaftlänge für diesen Waffentypus. Bei der Bildquelle aus Schaffhausen fehlt leider der untere Teil des Bildes. Ob der jetzt beim Digitalisieren verloren ging oder tatsächlich auf Grund des Blattrandes nicht vorhanden ist konnte ich nicht feststellen.

Also suchte ich in anderen lokalen und zeitlich passenden Quellen nach Hinweisen. Zwei meiner Hauptquellen, die Tafelmalerei des Klosterneuburger Altars sowie die Lilienfelder Handschrift von 1350 lieferten ganz brauchbare Ergebnisse:

Rückseite des Verduner Altars um 1330

Ebenfalls Rückseite des Klosterneuburger Altars
 
Lilienfeld, Stiftsbibl., Cod. 151, 1350-1355

Betrachtet man nun die beispielhaften Bilder genauer, lässt sich eine recht genaue Aussage treffen. Die gelben Linien in der rechten Bildhälfte sind jeweils gleich lang und ergeben somit eine übliche Stangenwaffenlänge von etwa Körpergröße + 1/2 bis ganze Kopflänge. Gerade die Betrachtung von Halmbarten schien mir in diesem Zusammenhang sinnvoll um eine Verwechslung mit Lanzen auszuschließen. Die ermittelte Länge deckt sich dann auch in etwa mit dem in Schaffhausen liegenden Manuskript.

Für den Halm selbst habe ich mich für Esche entschieden und einen achteckig gehobelten, konisch zur Spitze verjüngenden Schaft gegen ein Messer eingetauscht. Besonders wichtig war mir in diesem Fall eine schöne, entlang der Längsachse verlaufende Maserung:


Zuletzt war dann nur noch die Vereinigung von Runka und Halm zu erreichen. Ich habe mich dafür für eine Doppelmethode aus Kleben und Sicherung durch einen Nagel entschieden.

Alles was man so zum Endausbau braucht

Für das Kleben habe ich Kiefernharz verwendet, heiß gemacht bringt es eine honigartige Konsistenz mit sich, die mir auch helfen sollte Ungenauigkeiten bei der geschnitzten Verjüngung auszugleichen.

Mit Kiefernharz versehene Spitze vor dem Einsetzen in die Tülle

Erste Versuche mit der eingeklebten und dann fest aufgeschlagenen Tülle ergaben bereits einen enorm festen Sitz. Ich war wirklich überrascht, dass sich der Kopf mit den mir zu Verfügung stehenden Kräften nicht mehr abziehen ließ.

Trotzdem habe ich danach die Runke durch ein entsprechendes Loch in der Tülle noch mit einem eingeschlagenen Nagel fixiert. 


Was jetzt noch aussteht sind a) die ersten Handhabungsversuche mit dem neuen Stück (da wird wohl mein Hackstock als Gegner herhalten müssen) und b) die natürlich anzufertigenden Protzfotos.

Beides kommt demnächst .. hab ich jedenfalls fest vor. Echt und wirklich ....