Samstag, 25. Februar 2017

Zmerschad

Heute beginnen wir unseren Artikel mit einem kleinen Ausflug in den Wiener Dialekt. "Zmerschad". Ich denke das kommt Lautmalerisch hin. "Zmerschad" nennt man in Wien einen Zustand in dem ein Objekt in viele kleine Teil zerbrochen oder zerschlagen wurde.

Warum ich euch damit belästige? Nun einerseits weil durch den hochdeutschen Einfluss des Fernsehens, der Musik und der Computerspiele meine eigenen Kinder (Gschroppen) gar nicht mehr in der Lage sind so wunderbare Wörter wie "Heislbesn" im Kopf (Bluza) zu behalten ... und andererseits weil ich persönlich glaube der Begriff "zmerschad" kommt über den Umweg "zermerschert" vom eigentlichen "zermörsert". Und da wollen wir hin: Mörser!

(Jetzt seh ich die Spätgotiker jubeln und ihre Pulverflaschen aus dem Schrank holen, aber .. tut leid, kein BummBummSchießenundsoLaut heute)

Rekonstruktion eines Steinmörsers aus dem Spätmittelalter nach ungarischen und englischen Quellen, Waldviertler Granit
Reconstruction of a late-medieval stone mortar by Chris Stein, form and size after sources from Hungary and England

Mörser spielen eine nicht unbedeutende Rolle in der mittelalterlichen Küche. Man hat nämlich nicht nur Gewürze oder Nüsse für verschiedene Gerichte in Mörsern zerkleinert, sondern, wenn man den Quellen folgt, ganze Hühner. Gekochte, nicht lebendige .. auch wenn das in den größeren Exemplaren wohl auch leicht möglich wäre. Vermutlich für Pasteten. Oder einfach nur weil man es halt konnte.

In Budapest wurden bei den Ausgrabungen auf de Burgberg ein paar solcher Mörser gefunden, einige davon mit sehr beachtlicher Größe:

Zwei spätmittelalterliche Steinmörser aus dem Historischen Museum Budapest (links ca.40cm hoch, rechts ca.80cm)
Two stone mortars from the late-medieval period, Budapest, Hungary (left approx. 40cm in heigth, right approx. 80cm)
 
Auch aus englischen Grabungen sind Mörserfunde bekannt und alle zeigen eigentlich ein recht gemeinsames Bild: Runde Steinmetzarbeit mit 4 "Öhrchen", flachem Boden und einer halbkugeligen Vertiefung in der Mitte. Grob gesagt.

Gut erhaltener Steinmörser, England (HESH-C66884, finds.org.uk), spätmittelalterlich
Late medieval stone mortar (HESH-C66884, finds.org.uk) from England

Wer diesem Blog und unserer "IG14" im Allgemeinen folgt wird schon erkannt haben dass uns die Ausstattung der Vereinsküche ein besonderes Anliegen ist. Ist die Küche doch ein großes Gemeinschaftsprojekt bei uns und von winzig bis alt sind alle Mitglieder sehr an diesem Projekt interessiert.

Na gut, der absolute Großteil ist eigentlich an der sachgerechten Vernichtung der Küchenergebnisse beteiligt .. aber was solls. Commitment ist Commitment.

Was uns bisher aber fehlte war eben ein Mörser. Also habe ich mir die Maße eines der Budapester Mörser besorgt und mich auf die Suche nach einem Handwerker für die Umsetzung gemacht:

Maße eines ungarischen Steinmörsers aus Budapest
Dimensions of a late medieval stone mortar from Budapest, Hungary

Zu meinem Glück habe ich mit dem wunderbaren Chris Stein (der Link führt zu Facebook, wer das nicht hat oder nutzen will kann mich aber gerne kontaktieren und ich stell eine Verbindung her) genau den Richtigen gefunden. Kompetent, schnell und sehr flexibel. Alles was ich an einem Handwerker schätze.

Chris hat dann einen passenden Block Waldviertler Granit besorgt und losgelegt, das Werden unseres neuen Küchenmitglieds ab hier in Bildern:






Besonders schön (und äußerst hilfreich) fand ich, dass er Schritt für Schritt fotografisch dokumentierte und ich so nicht nur das Heranwachsen des Mörsers (eigentlich ja Schrumpfen, aber das klingt blöd) mitverfolgen konnte sondern auch jederzeit Möglichkeit fand da und dort Veränderungen anzubringen, die Chris dann umgesetzt hat. So konnten wir gemeinsam eine Endform entwickeln die unseren Vorstellungen entsprach.

Ein Beispiel für eine solche Veränderung war der Ausguss den wir nachträglich noch in die Konzeption hinein nahmen, weil ich ihn auf einem englischen Original fand und für recht praktisch hielt:

Mörser mit Ausguss, England (CPAT-642D74, finds.org.uk), spätmittelalterlich
Late medieval stone mortar with gutter (CPAT-642D74, finds.org.uk)

Detail der Ausgussrinne, Vorbild dazu war der Mörser CPAT-642D74 aus England
Detailed view of the gutter from my reconstruction

Was natürlich jetzt noch fehlt ist ein Stößel. Nach näherer Betrachtung diverser Quellen tendiere ich zu einem Stößel aus Holz. Die Mehrzahl der Quellen bildet Stößel nämlich in Braun ab, hier ein Beispiel aus den Niederlanden des 14.Jahrhunderts:


Welche Holzart muss ich mir noch überlegen, irgend ein hartes Holz wird es wohl werden. Hainbuche oder Eiche eventuell. Auf jeden Fall mal wieder was zu drechseln.

Wie auf dem Bild (und einigen anderen) sehen kann stehen die Mörser in der Regel auf dem Boden wenn damit gearbeitet wird. Bei einem Gewicht von 14kg für unseren "eher kleinen" und um die 100kg bei einem "ausgewachsenen" Exemplar eine nachvollziehbare Vorgehensweise.

Nun aber verabschiede ich mich mit einem letzten Bild von unserem neuen Mörser und wünsch euch noch eine geruhsames Wochenende!