Donnerstag, 18. Oktober 2018

"Die Glocke, die Glocke .. die stößt mich aus der Socke"

So (oder so ähnlich) lautet das Filmzitat aus dem "Rosaroten Panther" jedenfalls in der deutschen Synchronisation. Peter Sellers hat das also gesagt .. mit der deutschen Stimme von ....... ich schweife ab!

Jedenfalls soll es heute um Archäologie und um die Zusammenarbeit zwischen dieser faszinierenden Wissenschaft und uns Laien gehen. Und natürlich um .. Glocken. Besser Glöckchen. Also in dem Fall drei und wir reden nur über eines.

Abb.1 Buntmetallglocke aus der Ausgrabung Burgruine Ried
Brass bell found at Castle Ried (near Vienna, Austria)

As usual our english-speaking visitors will find the descriptions in English alternating with the German text.

Da ich im Zuge des Artikels auch immer wieder über die Zusammenarbeit zwischen Archäologie und Living History ausreiten werde, zuerst mal mein großer Dank an das wunderbare Archäologenteam der Ried-Ausgrabung. Tolle Mädels, nette Jungs! Und sie finden wunderbare Sachen ...

Und weil die Rieder Archäologen wie schon erwähnt echt nette Leut sind, durfte ich Einiges an Funden in meine behandschuhten Finger nehmen und genauer ansehen.

Unter anderem ist dort einiges an Buntmetall zu Tage gekommen das wohl zu einem gotischen, ritterlichen  Pferdegeschirr gehörte: Buntmetallbeschläge in Sternform und kleine Buntmetallglocken.

Abb2. Kleine Buntmetallglocken und sternförmige Beschläge aus Buntmetall, vermutlich von einem  Pferdegeschirr
Brass mounts and bells found at Ried, most probably parts of a medieval horse harness


The excavations currently in progress at Castle Ried (near Vienna, Austria) unearthed some fascinating parts of a (probably) gothic style horse harness. Since the archeologists working on that survey are bunch of very nice girls and guys I had the oppurtunity to get my (of course) gloved hands on some of the things the found there.

Obwohl es zahlreiche Abbildungen verzierter Pferdegeschirre aus dem 14. Jahrhundert gibt, sind die die wirklich Glöckchen aufweisen sehr dünn gesät. 

Eine eindeutige Abbildung die zu Mindestens in der Gegend des von mir gewählten Darstellungszeitrahmen liegt wäre in diesem Fall von einer mittelalterlichen Weltkarte vom Ende des 13.Jahrhunderts (die interessanten Glöckchen habe ich nachträglich eingefärbt um sie deutlicher sichtbar zu machen):

Abb.3 Mappa Mundi,Kathedrale von Hereford, England, entstanden zwischen 1280 und 1295 (Glocken nachkoloriert)
Mappa Mundi, Hereford cathedral, England between 1280 and 1295 (bells coloured by myself for better recogniation)

One of the few miniatures showing bells on a horse harness. While decorated harnesses are quite often depicted in the 14th century most of the manuscripts show no clearly identifiable mounts. The situation is different from an archeological perspective. Many findings from castles all over Europe could indicate that bells on harnesses were much more common then the analysis of pictures would suggest. Please find two examples (Alt-Wartburg, germany (left) und Frohburg, Germany (right) below.

Interessanterweise sieht es auf der Fundfront aber anders aus. Kleine Glöckchen tauchen auch auf Burgen immer wieder im Fundgut auf. Zwei ausgewählte Funde aus Alt-Wartburg (links) und Frohburg (rechts)  möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten, da sie der Rieder Glocke sehr stark ähneln :

Abb.4. Ähnliche Buntmetallglocken von Fundorten in Deutschland [Alt-Wartburg (links) und Frohburg (rechts)]
Quite similar brass bells found in Germany (13./14.th century)
Quelle: Deutsche Burgenvereinigung, „Tric-Trac, Trense, Treichel: Untersuchungen zur Sachkultur des Adels im 13. und 14. Jahrhundert“, Tafel 25

Soweit also zu ein paar Fakten zum Thema bimmelnder Ritter. Kommen wir nun zum Glockenfund aus Ried.

Der große Vorteil einer engen Kooperation mit den Wissenschaften, vor allem im Bereich der Archäologie, ist für Geschichtsvermittler nicht nur die Möglichkeit zur genaueren Betrachtung und (sehr vorsichtigen) Untersuchung von realienkundlichen Objekten sondern auch der Zugang zu weiterführenden Dokumentationen. In diesem konkreten Fall zum entsprechenden Restaurierbericht.

Gerade für die Anfertigung von Repliken und glaubwürdigen, einsatzfähigen Rekonstruktionen  sind detaillierte Einsichten in das zu erstellende Objekt einfach notwendig. Und da die "Rieder" einfach wirklich lieb sind, wollt ich ihnen dafür natürlich eine entsprechende Reko zukommen lassen.

But let's get to the reconstruction now! Since the archeologists working on the project are a heroic example of scientists sharing information with amateurs I wanted to give them something in exchange and started to make a replica of the little bell.

Gerade bei Objekten die so etwas wie Innereien besitzen ist natürlich eine Röntgenaufnahme von großem Vorteil:


Abb.5. Röntgenanalysen des Glöckchen aus dem Restaurierbericht von Dipl. Restauratorin Anne-Kathrin Klatz
X-Rays from Dipl. Restauratorin Anne-Kathrin Klats restauration report

Damit konnte die Arbeit also beginnen:

Grundlage der Replik bildet wie im Original ein Klangkörper aus Buntmetallblech (in meinem Fall 1mm Messingblech), die Aufhängung des Klöppels (und der Glocke an sich) sind aus 0.8mm Messingdraht und der Klöppel ist, wie auch beim Fund, ein grob geschmiedetes Stück Stahl das irgendwie wie ein missbrauchter Hufnagel aussieht:

Abb.6 Alle Elemente für die Rekonstruktion des Glöckchens
All parts needed for the reconstruction of the bell

I made the body of the bell from a 1mm brass sheet, the mounts for the bell itself and the clapper are from 0.8mm brass wire. The clapper itself I forged from mild steel.

Da der Zusammenbau und die Ausformung ein ständiges Ausprobieren und hin und her war, hab ich leider keine Anleitungsbilder für den eigentlichen Fertigungsvorgang. Es gibt daher nur eine textliche Anleitung. Verwendet wurden (wie mittlerweile bei mir üblich) nur historische Werkzeuge.

1. Ausformen des Klangkörpers / Forming the bell body

Zuerst hab ich das ganze Blech mal weichgeglüht. Biegt sich leichter. Danach hab ich mit einem Stichel das Loch für die Aufhängung geschlagen und das Blech dann an der schmalsten Stelle (das spätere Oben) geknickt. Das Ausformen der halbrunden Seiten selbst erfolgte am Horn von meinem Amboss mit einem Hammer. Dabei hab ich einfach immer wieder weichgeglüht, in Form gedengelt und zum Schluss mit der Blechschere alles weggeschnitten was mir nicht gefiel (und nicht wie das Original aussah). So wie der alte Michelangelo halt.

Interessanterweise waren am gefunden Klangkörper keinerlei Lötspuren nachzuweisen. Auch eine Nietverbindung (wie beim oben gezeigten Fund von der Alt-Wartburg, Abb.4, links) ist hier nicht gemacht worden.

The first step was the soft annealing of the brass sheet, Afterwards I punched a hole for the mounts into the center of the sheet and bent it at the narrowest part. The forming of the bell was done on the horn of my anvil using a light hammer. At the end I used a sheet shear to cut off everything that didn't look right. Like old Michelangelo did. Not with a sheet shear of course ...

2. Zusammenbau der Kleinteile / Assembling the moveable parts

Dafür hab ich den Klöppel in den S-Haken eingehängt und beide Ösen zusammengebogen. Danach kam der beklöppelte S-Haken in den langen Stift mit der Öse an einer Seite (den ich zu kurz abgeschnitten hatte. Denn es ist wesentlich sinnvoller und weniger Gefummel wenn der Drahtstift länger ist als die Glocke hoch, man tut sich dann tatsächlich beim Einfädeln dann leichter)
Der Stift wird dann von innen durch das Loch oben an der Glocke gesteckt und so weit durchgezogen dass der Klöppel richtig sitzt. Dann kann man ihn auf die passende Länge abschneiden und die zweite Öse biegen (siehe Abb.5). Zum Schluss wird der zweite S-Haken in die neugeformte Öse eingehängt und zugebogen. Fertisch.

I started with the connection of clapper and the first S-Hook. Then the pin with the single eye was added to the "chain". After hanging them together I closed the loops. The pin was then put through the hole on top of the bell from the inside till the clapper was hanging at the desired position, then cut and another eye was formed. (see on the X-Ray above). In this eye I put the remaining S-hook and closed the loops. Done. 

Abb.7. Das fertige Glöckchen
The finished bell

Natürlich gehört zu einer Glocke mehr als nur schnödes Metall. Es gehört auch Klang dazu. Und den sollt ihr auch kriegen ....