Donnerstag, 17. November 2016

Man muss ned immer essen ....

... man kann seine Mittagspause auch anders verbringen. Arbeitend nämlich. Hab ich heute jedenfalls gemacht und ein bisschen an meinem Werkzeugsortiment gebastelt. Werkzeug kann man immer brauchen. Jetzt hab ich zwei Ahlen und meinen ersten Löffelbohrer .. und Hunger.

Fangen wir mit den Ahlen an. Die Ahle als Lederwerkzeug braucht man in unserem Hobby eh ständig, für Schuhe, Gürtel, Taschen oder Lederscheiden. Die gotischen Ahlen sahen eigentlich alle miteinander sehr ähnlich aus:

Ahle aus Schleswig, Eisen, 13 Jahrhundert
Iron awl, found in Schelswig, 13th century

Was wir sehen ist ein beidseitig ausgeschmiedetes Stück Eisen mit quadratischen Querschnitt bei dem mittig eine Verdickung sitzt. So kommt das linke Ende dann in das Heft der Ahle und das rechte, spitzere Ende ist zum Arbeiten. Und die Verdickung hilft, dass sich auch bei starkem Andruck der Ahlendorn nicht tiefer ins Holzheft bohren kann. Einfach und effizient. So mag ich das. Und die Anfertigung von solchen Dingen geht gerade noch innerhalb meiner mehr als beschidenen Schmiedekompetenz.

Leider hab ich in meiner von schweren Hungergefühlen geplagten ersten Arbeitsphase keine Fotos gemacht und so muss ich euch ein Bild vom fertigen Ahlendorn erst mal schuldig bleiben. Das hol ich dann mal in einem Follow-Up nach
Die Hefte für meine Ahle habe ich aus Buche gemacht. Warum Buche? Weils rum lag. Und weil der Wienerwald voller Buchen ist (und war).
Bei der Form habe ich mich auch nicht von modernen Vorstellungen der Ergonometrie verführen lassen sondern mir aus den Holzfunden aus Konstanz einfach was ausgesucht was mir gefiel:

Holzgriff aus dem Fundkomplex Freiburg/Konstanz, 13./14.JahrhundertA wooden hanndle found in Freiburg/Konstanz, 13th/14th century

Das gute Stück hab ich dann mal schnell nachgedrechselt und dann den Ahlendorn (glühend) ins Heft eingebrannt, so circa bis zur Hälte des Heftdorns. Den Rest übernahm der Hammer. Und so siehts fertig aus:

Gotische Ahle (Rekonstruktion)
Gothic awl (reconstruction)

Trotz vehementem Protestieren der unterbeschäftigten Magenschleimhäute habe ich dann gleich eine zweite davon gemacht. Weil ein Freund eine braucht und ich ohnehin grad schmutzig war. Und hungrig, aber das tut nichts zur Sache.

Mit der zweiten Ahle fertig, hätte ich nun endlich das nahegelegene Gasthaus stürmen oder zu mindestens den Supermarkt am Eck um ein Specksemmerl erleichtern können. Aber nein. Ich war ja schmutzig. Blöd.

Also hab ich noch was gebaut das ich schon lange mal probieren wollte und das ich ohnehin für meine Messererdarstellung brauchen werde: Einen Löffelbohrer um die Angellöcher in Holzheften von Messern vorzubohren.

Als Vorlage war ebenfalls etwas in Schleswig gefunden worden und so orientierte ich mich an Tafel 47 aus "Mittelalterliche Eisenfunde aus Schleswig: Ausgrabung Schild 1971-1975",  Hilke E Saggau, (2000) und entschied mich für einen Mix aus den Bohrern Nr. 10 + 11:

Löffelbohrer aus Schleswig, Eisen, 13.Jahrhundert
Spoon drills from Schleswig, 13th century

Völlig erschöpft und bereits dem Kollgenkannibalismus zuneigend habe ich mir also auch noch einen Löffelbohrer angetan. Links auf dem Bild das bohrenden Ende, das ist einfach verständlich aber schwerer machbar, und rechts dann der Teil der in den Griff des Bohrers kommen soll.
Dort wir der Bohrerschaft einfach flach ausgeschmiedet und zu einer kleinen Lanzenspitze geformt. So wird verhindert, dass sich der Bohrer später einfach auf dem Holzheft durchdreht. Ziemlich schlau.

Der Bohrergriff ist ebenfalls aus Buchse gedrechselt, weil aber in Konstanz zwar ein Bohrer gefunden wurde der Griff aber ziemlich unerkennbar lädiert ist hab ich einen vermutlich neuzeitlichen Griff aus Schleswig gemacht:

Geschmiedeter Löffelbohrer (13. Jhdt.) und gedrechselter Buchenholzgriff
A 13th century spoon drill and the future wooden handle

Schlaumeier werden jetzt sagen: Wie hast du das Loch gebohrt wenn das dein erster Löffelbohrer ist? Tja, das alte Henne-Ei-Problem lässt sich leicht lösen! In meinem Fall mit einem Akkuschrauber.

Auch den Löffelbohrer habe ich zum Teil ins Holzheft eingebrannt und mit ein paar Hammerschlägen festgeschlagen:

Spätmittelalterlicher Löffelbohrer für Messerhefte (Rekonstruktion)
A wooden handled spoon drill, late medieval (reconstruction)
Jetzt war die Not aber so groß geworden dass ich abbrechen musste, lediglich für das Drücken des Auslösers reichte die Kraft noch. Ein Sammelbild musste schon noch sein:

Spätmittelalterliches Leder- und Holzwerkzeug (Ahlen+Löffelbohrer)
Late-medieval leather and woodworking tools

Wenn jetzt einer von euch eventuell auch noch Werkzeug braucht, sagt Bescheid. Ich bin grad in Fahrt. Oder Moment ... ich bin nicht mehr schmutzig. Ich geh was Essen!

Abstract for our english speaking visitors:

Today I made three simple tools to help in leatherworking (belts, shoes, scabbards, purses ..) and for drilling holes into knive handles before burning the blade in.

The awls are made following existing examples from Schleswig (Germany) but they looked more or less the same all over Europe. To points are hammerd out of a square section rod, leaving a knob in the middle that hinders the awl from wandering into the wooden handle while working. The handles were made after findings from Konstanz/Freiburg (germany) and were turned from beech wood.

The spoon drill I made is also modelled after a finding from Schleswig It shows the drilling spoon part on one side and a type of lanced side for mounting the drill on the handle. With the "lance" it was assured that the drill can't turn in the wooden handle. The handle is just like the awl handles made from beech wood.