Ja, da wäre er! Der unangekündigte Fortsetzungsartikel zu dem erst kürzlich erschienenen Artikel über meinen neuen Eisenhut. Nach der Angeberei und Protzerei mit neuen Rüstteilen und der ausgiebeigen Klopperei im Fachbereich Rüstungskunde auf FB soll nämlich noch etwas Hilfreiches folgen. Und das vor allem aus einem Grund: Ich hab was genäht!
Eisenhut (14.Jahrhundert) mit Innenfutter aus Leinen (1) 14th century Kettle hat with hand-made helmet liner |
Nun, nachdem das ehrfürchtige Raunen verstummt und die darauf folgende, ehrfürchtige Stille gebrochen ist eine Erklärung warum das so was Besonderes ist:
Kennt jemand Männerschnupfen? Die mysteriöse, anscheinend mit den ehernen Ketten des Schicksals an das Y-Chromosom gebundene Geißel die regelmäßig zu einem tobenden Ansturm auf Notare zwecks Testamentsverfassung führt und welche den Begriff "Sterbehilfe" in den Blickpunkt rückt sobald das erste Männerniesen verklungen ist? Die meisten Frauen kennen diese Strafe Gottes wohl (..und damit sind nicht die kranken Männer an sich gemeint, sondern diese unheilige Pandorabüchse der armen Mischchromosomaten!) und haben ihre sterbenselenden Gefährten schon mehr als einmal durch ein: "Geh bitte! Stell dich nicht so an!" von den Ufern des Styx zurück ins Leben gerissen.
Ich armer Tropf aber habe jedenfalls noch eine weitere Bürde zu tragen: Ich habe eine schwere Männernähhemmung!
Die betrifft nun bei weitem nicht jeden von uns armen Teufeln, es gibt ja unter den Testosteroniten einige hervorragende Nadelkünstler (Nein, nicht Tattoowierer .. äh, Tätowierer .. das ist nicht belegbar!) die wunderbare Werke aus dem Stoff aus dem .. naja, aus dem Stoff aus dem der Stoff ist schaffen.
Ich aber nicht. Definitiv nicht! Schon das Einfädeln des Fadens in das Nadelöhr ist eine mehrstündige Prozedur und wenn ich dann eine ein vollendet unergonomische Haltung eingenommen und 7 Stiche genäht hab ist mein Schultergürtel so verspannt dass der Schmerz praktisch hörbar ist. Kurz und gut: Keine Chance! Ich kanns nicht!
Kennt jemand Männerschnupfen? Die mysteriöse, anscheinend mit den ehernen Ketten des Schicksals an das Y-Chromosom gebundene Geißel die regelmäßig zu einem tobenden Ansturm auf Notare zwecks Testamentsverfassung führt und welche den Begriff "Sterbehilfe" in den Blickpunkt rückt sobald das erste Männerniesen verklungen ist? Die meisten Frauen kennen diese Strafe Gottes wohl (..und damit sind nicht die kranken Männer an sich gemeint, sondern diese unheilige Pandorabüchse der armen Mischchromosomaten!) und haben ihre sterbenselenden Gefährten schon mehr als einmal durch ein: "Geh bitte! Stell dich nicht so an!" von den Ufern des Styx zurück ins Leben gerissen.
Ich armer Tropf aber habe jedenfalls noch eine weitere Bürde zu tragen: Ich habe eine schwere Männernähhemmung!
Die betrifft nun bei weitem nicht jeden von uns armen Teufeln, es gibt ja unter den Testosteroniten einige hervorragende Nadelkünstler (Nein, nicht Tattoowierer .. äh, Tätowierer .. das ist nicht belegbar!) die wunderbare Werke aus dem Stoff aus dem .. naja, aus dem Stoff aus dem der Stoff ist schaffen.
Ich aber nicht. Definitiv nicht! Schon das Einfädeln des Fadens in das Nadelöhr ist eine mehrstündige Prozedur und wenn ich dann eine ein vollendet unergonomische Haltung eingenommen und 7 Stiche genäht hab ist mein Schultergürtel so verspannt dass der Schmerz praktisch hörbar ist. Kurz und gut: Keine Chance! Ich kanns nicht!
Trotzdem habe ich, euer geschätzter Autor, keine Mühen und Pein gescheut um mir selbst ein Helminnenfutter zu nähen. Mit meinen eigenen Händen. Echt! Und das ging so:
Zuschnitt des Leinens für das spätere Helmfutter (2) Cutting the linen for the liner |
Das Innenfutter für den Eisenhut plante ich mit 4 Bögen, wie es auch an erhaltenen Originalen (allerdings aus dem 15.Jahrhundert) zu sehen ist. Dafür maß ich den Innenumfang des Helms und addierte 10% für die Verkürzung die beim Stopfen mit Rosshaar entstehen würde. Diese "Zugabe" habe ich in an den offenen Seiten des Zuschnitts als schmale, gerade Bahn hinzu gegeben (in Blau auf dem Bild markiert).
Zuschnitt aus dichtgewebtem Bauernleinen (3) Dense, hand woven linen after cutiing |
Danach hab ich das Ganze einfach ausgeschnitten. Als Material wählte ich ein sehr dicht gewebtes, festes Bauernleinen. Das minimiert die wie aus einem Nadelkissen heraus pieksenden, steifen Rosshaare die mich beim Tragen wohl zur Weißglut nerven würden. Da ich das Leinen längs gefaltet habe sind beide Unterkanten mit der Webkante versehen und müssen nicht versäubert werden.
Die offenen Kanten der Bögen werden mit einem Laufstich geschlossen (4) The two layers were closed on the archs by running stitch |
Mit einem Laufstich habe ich dann die zwei Lagen miteinander vernäht (rechts Hälfte) und dann verstürzt (linke Hälfte).
Zum späteren Verstellen werden Nestellöcher in die Bogenspitzen "gedrängt" (5) For adjustable liners eylets were driven through the top of the archs |
Die fertigen Nestellöcher (6) The finished eyelets |
Da ich ein größenverstellbares Innenfutter machen wollte (vorwiegend weil ich keine Ahnung hatte ob ein festvernähtes dann auch genau so passt wie ich mir das vorstelle) habe ich mit einem Holzpfriem Löcher in beide Leinenlage "gedrängt" und dann mit Knopflochstich versäubert.
Das Absteppen der Fächer mit Laufstichen (3 Fächer pro Bogen) (7) By running stitch I created 3 seperate pockets on each arch |
Gestopftes Innenfutter mit der letzten Ladung Rosshaar (rechts oben im Bild) (8) Helmet liner after stuffing it with horse hair (rght top of the picture) |
Aufgrund meiner oben schon zart angedeuteten leicht angespannten Einstellung zum Nähen habe ich mich entschieden jeden der 4 Bögen nur in 3 Fächer zu unterteilen. Dann habe ich die Fächer mit Laufstichen abgesteppt und danach mit vorher aufgelockertem Rosshaar von Mähne und Schweif locker gestopft (linke Bildseite).
Innenfutter mit geschlossener Unterkante vor dem Einnähen in den Helm (9) Finished liner before sewing it into the hat. The lower edge is closed now |
Nach dem Stopfen habe ich die unteren Kanten (Webkanten) mit einem Laufstich geschlossen. Durch die Webkanten ist ein weiteres (dem Himmel der Nähunfähigen sei Dank!) Versäubern nicht mehr notwendig.
Was dann kam ist schwer zu beschreiben. Ich wollte das Futter im Zuge eines Basteltreffens einnähen, welches aber einen etwas unüblichen Verlauf nahm. (Aber eigentlich nur in der Form dass die Whiskyflasche schon weit vor Mitternacht leer war).
Schwunghaft erheitert durch ein paar Gläschen feinen Islay Single Malt brauchte ich sagenhafte und mit jeweils lauter werdendem Gelächter der Anwesenden begleitete 7 (!) Versuche um das verdammte Ding ordnungsgemäß in den Helm zu nähen.
Ich kann daher vom Alkoholkonsum im Generellen und bei Helmfütterungsarbeiten im Speziellen nur dringend abraten! Denn entweder vergisst man eine der Helmriemen mitzunähen (bei Versuch Nummer 3 sogar beide) oder man vergisst eines dieser scheinbar sehr schlüpfrigen kleinen Löchlein in der Helmplatte miteinzubeziehen ... und fängt von vorne an.
Das wahre Problem zeigte sich aber nicht beim Lachen und Rumfluchen, auch nicht beim befürchteten und doch nicht eingetretenen Kater am nächsten Tag sondern erst, wie eigentlich erwartet, nach dem der Helm ungebloggt eine Weile herumlag und schließlich die Publikation meines Werks erfolgte. Da erfolgte dann mein jungfräulicher Erstkontakt mit der Vierzehntesjahrhunderteisenhutfutterkontroverse ! Und ja, die ist in etwa so lang und verwirrend wie das sie bezeichnende Wort.
Darauf muss ich näher eingehen:
Das Innenfutter von Eisenhüten des frühen 14. Jahrhunderts ist nicht über Quellen wie Manuskripte oder Skulpturen fassbar. Auch Textquellen geben praktisch keine Auskunft über das wie und warum.
Daher bleiben nur Originale. Und die sind gerade in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts sehr spärlich zu finden. Eine sehr gute (wenn auch etwas schwer zugängliche) Dissertation findet man mit Matthias Golls "Iron documents", und die hab ich mir dann auch zu Gemüte geführt.Von da an gabelt sich der einschlagbare Weg: Entweder man folgt und interpretiert "in die Breite" in dem man sich vorwiegend an die wenigen erhaltenen Originale von gefütterten Helmen aus dem passenden Zeitraum hält und nimmt in Kauf dass man auf andere Helmtypen ausweichen muss ODER man orientiert sich "in die Tiefe" und geht auf die Suche nach gefütterten Eisenhüten aus anderen Zeiten, in diesem Fall dem 15. und 16. Jahrhundert.
Da ich in meinem Suff ja schon blindlings auf das Ziel von Pfad Nr.1 zugestolpert war, nämlich dem direkten Einnähen des Innenfutters in den Helm, war natürlich eine objektive Entscheidung über die Wegwahl schwierig. Aber das Studium des Text förderte, eventuell ein wenig durch die Nr.1-Brille gesehen, folgende Erkenntnis zu Tage:
Scheinbar waren (vor allem noch um 1350 herum) bei mehreren Helmtypen direkt eingenähte Innenfutter aus Leinen (und eines aus Leder) durchaus üblich . Eine Hirnhaube, eine Beckenhaube und 3 weiter Exemplare werden von M. Goll genannt. Auch die paarweise angeordneten Löcher meines Helms finden sich wenn überhaupt noch auf der erwähnten Hirnhaube (ref_arm_1518).
Weiters führt der Autor aus, dass Anhand der größeren, gleichmäßig verteilten Löcher in den Helmen des späten 14.Jahrhundert sich die Methode das Innenfutter zu befestigen in die Richtung entwickelte, dass man das Futter an einem eingenieteten Lederstreifen anzunähen begann (S. 120). Dies ist auf Exemplaren des 15. und 16. Jahrhunderts deutlich erkennbar.
FOLLOW-UP:
Was ich in der Hitze des Gefechtes um die Quellenlage völlig vergessen habe zu posten, ist die Situation mit dem Kinnriemen. Ich hab mich für einen einfachen im Gegensatz zu einem Y-Riemen entschieden weil mir die Beleglage in dieser Richtung sicherer scheint:
Eisenhut mit "einfachem" Kinnriemen, 1380, Frankreich (10) Kettle hat with "single" chin strap, France around 1380 |
Leider konnte ich aus meinem bevorzugten Zeitraum 1340-1350 noch kein Bild finden das einen Eisenhut mit Kinnriemen zeigt. Frühere Bilder des 13. Jahrhunderts bilden öfters einfache Riemen und bisserl modernere Bilder wie das oben gezeigte dann ebenfalls.
Der abgebildete Eisenhuttypus ist dem meinigen sehr ähnlich (interessanterweise zeigt dieser hier bereits eine Nietenreihe die eventuell auf ein eingenietetes Futterband hindeutet!) und hat einen einfachen Kinnriemen, so wie in meiner Rekonstruktion ausgeführt.
Der Riemen meiner Rekonstruktion ist aus krappgefärbten Ziegenleder mit einer frühen Doppel-D-Schnalle versehen und hat eine Riemenzunge an seinem "offenen" Ende:
Der abgebildete Eisenhuttypus ist dem meinigen sehr ähnlich (interessanterweise zeigt dieser hier bereits eine Nietenreihe die eventuell auf ein eingenietetes Futterband hindeutet!) und hat einen einfachen Kinnriemen, so wie in meiner Rekonstruktion ausgeführt.
Der Riemen meiner Rekonstruktion ist aus krappgefärbten Ziegenleder mit einer frühen Doppel-D-Schnalle versehen und hat eine Riemenzunge an seinem "offenen" Ende:
Den Riemen selbst habe ich befestigt in dem ich ihn (nach massiver, von Alkoholartillerie unterstützter Gegenwehr) einfach gemeinsam mit dem Helmfutter bei zwei gegenüberliegenden Doppellöchern mitvernäht habe.
Und so bleibt mir also nur zum Schluss die Warnung an alle herauszugeben:
Das Kaufen eines Eisenhutes mit nachträglichen Belegversuchen ist ebenso wie das besoffene Einarbeiten eines Helmfutters natürlich völlig pfuigackbäh und schlimm sowieso.
Also: Nicht nachmachen, liebe Kinder! Zuerst lesen und schauen, dann kaufen und saufen. Oder so irgendwie ...
Abstract for our english speaking visitors:
(1) Tody I wanted to make a short introduction and How-To for helmet liners in the first half of the 14th century. Since there are not enough originals of such liners preserved many of the following points are speculative. You can find the pictures to the text below in the article above, and since I don't want you to sream in anger while searching pictures I numbered them.
(2) I decided to base my construction on extant liners from the 15th century with 4 arcs. Then I took the interior circumference of the kettle hat and added 10% (blue marks) since it will shrink when stuffed with horse hair.
(3) Afterwards I cutted the dense and stiff linen I used (since horse hair is stinging through almost everything and then it feels like you are wearing a hedgehog on your head). I folded the linen so both lower edges are weaving edges.
(4) Both layers were stitched together by running stitch and then turned (left side of the picture).
(5)+(6) For an adjustable liner it is necessary to put eyelets on top of all four arches. I forced a wooden awl through both linen layers and used an eyelet stitch to strengthen the holes.
(7)+(8) Each arch is now divided into three parts and then a running stitch is used to form single compartments that will be stuffed with horse hair. (left side of the picture)
(9) After stuffing is finished the open edges will be closed by running stitch. Since I used the weaving edges there I don't have to seam the lower edge.
(10)+(11) The chin strap is according to sources from the 13th century and as depicted on the picture from 1380 (10) a ""single" strap. It was fixed to the helmet by sewing it in together with the helmet liner
There is still a controversy about the method used to fix the liner into the helmet. I followed my own interpretation of Matthias Golls "Iron documents" and directly sew the liner into the kettle hat as indicated on p. 120 of M.Golls paper, a technique often used in the first half of the 14th century on dieffernet types of helmet.
The other reasenable method (shown on later examples in the 15th and 16th century) would be a liner sewed to a leather or cloth band riveted into the kettle hat.