Montag, 30. November 2015

Wie ein bunter Hund

Bunt! Nicht gerade das erste Wort das einem einfällt wenn man sich berüchtigte Hollywoodmittelalterfilme, billige Dokumentationen oder heutige Burgruinen und Kathedralen ansieht. Steinsichtig grau stehen die Bauwerke da in der Gegend herum, hellbraun, dunkelbraun und grau laufen Schauspieler durch schlammbraune Szenerien.

Aber die Gotik war bunt. Statuen und Figuren waren in der Regel aufwändig bemalt, die Innenräume von Kirchen und besseren Häusern waren mit bunten Fresken verziert, bunte Glasfenster ließen das Licht Gottes in die Kirchen und die erzielbaren und auch getragenen Farben bei mittelalterlicher Kleidung, alleine erzielt durch Pflanzen, Flechten, Pilze oder Tierbestandteile, erstaunen jeden geschichtsinteressierten Laien immer wieder aufs Neue.

Und damit kommen wir zum angesprochenen bunten Pudelhundes Kern: Ich find das gut! Ich mag bunt. (Naja, zu mindestens in der Darstellung, privat bin ich ja eher der Hollywood-Mittelalterbauer-Typ in braungrauoliv). Und da ich auch Messermacher bin, gehört bunt da eben auch dazu

Bisher habe ich diesen Aspekt in meinen Scheidenrekonstruktionen allerdings zu wenig einfließen lassen, denn abgesehen von der gelegentlichen Schwarzfärbung und einem Ausflug ins Rote (den muss ich demnächst mal bloggen) sind meine Messerscheiden Naturbraun. Schrecklich klischeehaft.

Tatsächlich ist aber auch in der Fachliteratur immer wieder der eine oder andere Hinweis zu finden, dass Messerscheiden in der Tat bemalt waren. So finden sich z.B. auf erhaltenen Scheiden aus London Spuren von Farbpigmenten, meistens Ocker. Auch erhaltene Lederobjekte zeigen deutlich die Spuren von Bemalung, wie z.b. ein französisches, mit Leder verkleidetes Kästchen aus der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts dessen Farbgebung noch sehr gut zu erkennen ist:


Also informierte ich mich mal über damals verwendete Farben und Farbtypen und kam (auch dank der Malerinnen in unserer Truppe) recht rasch auf den Begriff der Tempera. Darunter versteht man mit öliger Emulsion angerührte Farbpigmente, wie z.b. den oben schon erwähnten Ocker. Gesagt, gesucht, getan, gekauft und losgeockert:
 

In diesem Fall habe ich mich einerseits von den Ockerspuren des Fundes aus London sowie der rottönigen Palette des Kästchens inspirieren lassen und die Messerscheide des Essmessers meiner Frau in Erdtönen bemalt:



Völlig angeheizt von der Erfahrung mal etwas anzupinseln das nicht Wohnzimmerwand heißt, ließ ich die erste Scheide trocknen und stürzte mich gleich auf die Nächste:


Hier wurde ich dann schon deutlich mutiger was die Farben angeht und völlig überwältigt von der Vielfalt an möglichen Farbtönen schlug ich gleich mal richtig zu – der bunte Hund .. naja, Drache in dem Fall:



Und weil die Pinsel jetzt eh schon dreckig waren ging ich rüber zum Schaukästchen und griff mir noch eine Lederscheide:


Diesmal verwendete ich mehr oder weniger die gleichen Farbtöne wie beim Drachenmesser, spielte dafür aber erstmals mit Licht und Schatten ein wenig herum:



Und dann ...  dann, bevor ich jetzt in meinem Überschwang auch noch die restlichen Scheiden, eventuell herumstehende Becher und halbfertige Kleidungsrekonstruktionen mit künstlerischer Hand in farbenstrotzende Meisterwerke verwandeln konnte, bremste mich mein Gewissen mit den Worten: „Ja eh klar, Nikolaus, war sicher alles bemalt. Ohne Ausnahme. Oder? Denk nochmal nach!“

Deshalb ist hier auch Schluss mit Bildern von bemalten Messerscheiden, ein paar dürfen ruhig pfuibraun bleiben.

Ach ja, ein großer Vorteil beim Bemalen war, dass die Tempera sich mit Wasser so wunderbar wieder abwaschen ließ und ich so mehrere Versuche an derselben Messerscheide hatte.

Tja, Vorteil, naja, denn:

Ein großer Nachteil beim Bemalen war, dass die Tempera sich mit Wasser so wunderbar wieder abwaschen ließ und das erste Mal angreifen mit feuchten Händen zu bunten Händen und braunem Leder führte.

Hmm, nicht gut.

Ein paar Recherchen weiter stieß ich (auch dank einiger Ideen und Hinweisen meiner Mitstreiter) dann auf Leinölfirnis. Und landete bei Leinöl-Standöl. Das hatte meine geliebte Frau nämlich in ihrer Textildruckerkiste.

Damit betupfte ich dann die bemalten Scheiden und fixierte die Farbe durch die anschließende biochemische Lackbildung ein wenig. Ist jetzt immer noch nicht als Scheide für Tauchermesser gedacht, aber immerhin kann man mal ins Schwitzen kommen ohne selbst … zum bunten Hund zu werden.