Dienstag, 12. Juni 2012

EINSTEIGER IV - Bilderg'schichten

Als weiteren Schritt auf der Leiter zum ernsthaften Geschichtsdarsteller wollen wir heute die Sprosse der zeitgenössischen Handschriften als Quelle für unserer Darstellung erklimmen.

Handschriften sind neben den archäologischen Zeugnissen, den figürlichen Darstellungen in Form von Statuen und Grabplatten, der Fresko- und Glasmalerei und natürlich den zeitgenössischen Textquellen in Form von Kleiderordnungen, Rechnungsbüchern etc. eine der wichtigsten Grundlagen zur Erarbeitung textiler Rekonstruktionen. Wie bei allen Quellen ist bei der Interpretation natürlich Fingerspitzengefühl gefragt, kaum einmal kann etwas einfach wie abgebildet übernommen werden.

Stets muss man sich ein Vielzahl von fragen stellen .. warum wurde etwas abgebildet ? Was ist rein symbolhaft, was übertragbar ? Wer ist die abgebildete Person und welche Relevanz besitzt die Abbildung für meine Darstellung ? etc .. etc. .. (einen sehr guten weiterführenden Artikel zu dem Thema findet man übrigens bei den Wienischen Hantwerkliuten !)

Trotzdem scheint mir gerade die kritische Auseinandersetzung mit passenden Quellen ein wichtiger Schritt zu sein, um ein Gefühl für die Zeit der Hochgotik zu entwickeln. Außerdem bietet die Beschäftigung mit den großteils geistlich motivierten Quellen auch die wunderbare Gelegenheit sich in die christliche Glaubenswelt des Mittelalters einzuarbeiten.

Also habe ich die für die Darstellung um 1340 bedeutsamsten Handschriften unserer Region herausgegriffen und möchte meinen Besuchern und Lesern so die Möglichkeit geben, bei ersten Rechercheversuchen schon mal die würzige Luft gemalter Geschichte zu schnuppern.

Oberösterreichische Biblia pauperum 1310 - 1320, Stiftsbibliothek St. Florian cod. III 207
Eine recht konservative angelegte, modisch noch stark im 13.Jhdt. fußende Handschrift.
(Link: IMAREAL, Suchbegriff: Bildnummer 003012, dann einfach weiterblättern)


Wiener Neustädter Willehalm-Zyklus, 1320, Österreichische Nationalbibliothek cod. 2670
Modisch meist unspektakulär und sehr typenbehaftet, aber schöne Beispiele für mi-parti Mode.
(Link: IMAREAL, Suchbegriff: Bildnummer 005981, dann einfach weiterblättern)


Schweizerische Liederhandschrift "Manesse", 1310-1315 bzw. 1330
Höfische Mode ! und noch dazu in 2 Zeiträumen entstanden. Relevanz muss zwischen Grundstockmaler und Nachtragsmalern unterschieden werden, die Nachtragsmaler sind für uns eher von Bedeutung.
(Link: www.manesse.de)

Wiener Biblia pauperum, 1330 - 1340, Österreichische Nationalbibliothek cod. 1198
Neufassung der St.Florian-Handschrift (siehe oben), immer noch recht konservativ aber in einigen Details dem Geschmack des Entstehungszeitraums angepasst.
(Link: IMAREAL, Suchbegriff: Bildnummer 005436, dann einfach weiterblättern)


Österreichisches (?) Speculum Humanae Salvationis 1330 - 1340, Österreichische Nationalbibliothek cod. s.n.2612
Schön illustrierte und sehr repräsentative Handschrift ohne Modetorheiten.
(Link: IMAREAL, Suchbegriff: Bildnummer 007159, dann einfach weiterblättern)


Niederösterreichische Concordantiae caritatis, 1349 - 1351, Stiftsbibliothek Lilienfeld cod. 151
bedingt durch die Entstehungszeit ist hier bereits Vorsicht geboten, teilweise schon sehr extravagant.
(Link: IMAREAL, Suchbegriff: Bildnummer 003884, dann einfach weiterblättern)


Andere Handschriften, wie der "Lutrellpsalter" oder der "Alexanderroman" des Jehan de Grise, sind mit Sicherheit prächtigere Arbeiten der mittelalterlichen Buchmalerei, doch trotz ihrer zeitlich passenden Einordnung ist schon deutlich mehr Fingerspitzengefühl nötig um sie richtig zu interpretieren oder gar umzusetzen. Deshalb, Schuster bleib bei deinen Leisten .. und wir bleiben bei dem was unsere Region zu dem Thema abliefert.

Also, auf die Plätze, vor die Monitore und fröhliches Klicken .. es gibt viel zu Entdecken !